1897 -
Gera
: Hofmann
- Autor: Tromnau, Adolf
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfsbuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
36 V. Die Kulturgeographie und das historische Element.
Begriff „politische Geographie" unter die angedeuteten Gesichtspunkte und
nehme als Grundstock der Betrachtungen die Völkerkunde des entsprechenden
Erdraums und wird gute Früchte sehen.
In erster Linie sind natürlich die Kulturverhältnisse des deutschen
Volkes ins Auge zu fassen. Der Schüler muß eine Vorstellung erhalten
von der Machtstellung des deutschen Volkes seit 1870/71, von dem Aufschwung
seines Handels, seiner Großindustrie, Ausnutzung des Bodens, Entwicklung
des deutschen Binnenhandels und der deutschen überseeischen Unternehmungen.
Bei den fremden Ländern und Erdteilen sind in erster Linie ihre Beziehungen
zu Deutschland ins Auge zu fassen""), und dementsprechend manches Land
und Volk genauer, andere Gebiete nur summarisch zu behandeln. So wird
man z. B. von überseeischen Ländern bei den Vereinigten Staaten Amerikas
am längsten verweilen, weil ihre Kulturbeziehungen zu Deutschland sehr
umfangreich und mannigfaltig sind.
Neuerdings haben sich Herausgeber guter Atlanten die Aufgabe gestellt,
aus Nebenkarten die Kulturgeographie der einzelnen Länder, insonderheit vom
deutschen Reiche, zu berücksichtigen. Zur Erläuterung der Art und Weise
dieser Kartenbilder seien hier zwei Kulturkarten aus dem „Neuen Schul-
atlas" von Kühn und Peip (Gera, Hofmanns Verlag) beigefügt. —
2.
Die Erörterung über die Berücksichtigung der Kulturgeographie legt
uns die Frage nahe, ob die Geschichte des betreffenden Volkes oder
historische Elemente aus derselben, die sich auf einen bestimmten Erdraum
beziehen, nicht von hervorragender Bedeutung für die Erzielung einer richtigen
geographischen Einsicht sein können. Darauf ist zu erwidern, daß man im
allgemeinen mit dem Herbeiziehen historischer Thatsachen vorsichtig sein muß.
Die Erdkunde ist zu lange Schleppenträgerin der Geschichte gewesen, als daß bei
zu starker Betonung des historischen Elementes nicht eine Überwucherung mit ge-
schichtlichen Merkwürdigkeiten wieder auftauchen könnte. Wie lange ist es denn
her, daß in den gangbarsten Schulbüchern für Erdkunde die Betrachtung eines
jeden Staates mit einer Unmasse historischen Notizenkrams eingeleitet wurde!
Man ist eben noch zu sehr daran gewöhnt, Geschichte und Geographie
als eine Art siamesischer Zwillinge zu betrachten, als daß man sich über die
bestimmte Abgrenzung beider Gebiete Rechenschaft schuldig zu sein glaubt.
Mit Vorliebe definiert man die nahe Verwandtschaft beider mit dem Worte
vr. Tegners: „Die Geographie ist das Lokal der Geschichte; die Geschichte
ist eine bewegliche Geographie." Abgesehen davon, daß die Geographie eine
*) Vergleiche in dieser Hinsicht meine Schrift: „Das Deutsche Reich in seinen
Kulturbeziehungen zur Fremde". Halle, Schroedels Verlag, M. 1,75.