1. Asien
- S. 73
1916 -
Leipzig
: List & von Bressensdorf
- Autor: Sievert, August, Harms, Heinrich, Riedel, Johannes, Eggers, Willy, Brüning, Kurt, Müller, Albin Arno, Ester, Karl d', Lücke, Emil, Lehmann, Herbert
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Präparandenanstalt, Seminaranstalt
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
73 Vorderindien. § 50
Augenblicke hinter dieser Wandöffnung ein paar schwarze Augen und ein Krauskopf
sichtbar. Oer Mangel eines Amüsements beim punkahziehen und die Seltenheit euro-
päischen Besuche? lassen dem Neger keine Ruhe." Auch des Nachts gibt es nie „die heiß-
ersehnte Abkühlung, nie jagen frische Brisen die schwere Atmosphäre davon, nie weiten
sich hier die Lungen in blumigen, tauigen Triften. Immer ist Aden leblos, luftlos, er-
barmungslos, trocken, staubig und dürr." Regen fällt in günstigen Iahren ein- bis zwei-
mal, meist aber gar nicht. „100 Gallonen (= 450 1) kondensiertes Meerwasser zum
Waschen kosten 1,40 M., 100 Gallonen Trinkwasser aus den Zisternen gar 4 M." Ohne
seine weltberühmten, das Regenwasser sammelnden Zisternen würde Aden überhaupt
nicht existieren können. Sie wurden, fünfzig an der Zahl, schon von den Römern in den
Zels eingehauen und muten in ihren riesigen Maßen an wie werke von Giganten. Drei-
zehn sind von den Engländern wieder instand gesetzt worden und fassen 340 000 1. So-
mali, diese an den Sonnenbrand gewöhnten Afrikaner, holen das edle Naß, das die
Regierung literweise verkauft, aus den tiefen Schächten ans Tageslicht. „Auf einem
schwankenden, über dem Abgrund hängenden Holzsteg stehen zehn schillernd schwarze,
nackte Somalimänner mit brandrotem Hüfttuch. Taktmäßig sich neigend, taktmäßig
singend, in jenem eintönig melodielosen, aber doch exotisch wirkungsvollen orientalischen
Rhythmus, den das vibrierende Echo wie ein Ehor begleitet, ziehen sie mit Ledertaschen
literweise das kostbare Wasser aus dem wohl über 20 m tiefen Steinbecken herauf"\
Z. Bombay.
Zwei Wochen nach der Abfahrt von Genua landen wir in Bombay. (Über die Lage
\. Abb. I, § 41.) Bombay war eine Zeitlang die erste Handelsstadt Indiens,' heute hat
Kalkutta wieder einen kleinen Vorsprung, von der Bevölkerung sind zwei Drittel
Hindus, ein Zünftel Mohammedaner, 45 000 parsen (s. unten), 15 000 Europäer.
„Bombay überrascht den Reisenden bei seiner Landung aufs angenehmste. Es ist in
reicher, lieblich-erhabener Natur gesund gelegen, von üppigen Zruchtgärten umgeben, in
denen der dunkelgrüne Mango (f. Bild vaterl. Erdk. § 441), die breitblätterige Banane
prangen, schlanke Kokospalmen sich erheben und europäische Sommerhäuser von
Schlingpflanzen überdeckt sind." (hapag.) — Oer schmale Südteil Bombays zeigt völlig
das Bild einer glanzvollen europäischen Großstadt! ein riesiger, monumentaler Bahnhof,
einer der größten der Welt, vornehme Hotelpaläste, große moderne Warenhäuser,
breite Geschäftsstraßen, herrliche Promenaden. — Nördlich von diesem europäischen
Stadtteil liegt die Eingeborenen stadt, wie immer in den indischen Städten Blacktown
(= schwarze Stadt) genannt, und hier tritt uns zum ersten Male das indische Volksleben in
seiner Eigenart entgegen. Oie Straßen sind eng und düster,- den niedrigen, budenförmigen
Häusern fehlt nach der Straße hin die wand, so daß man die Läden und Werkstätten von
der Straße aus vollständig überblickt. „Mit untergeschlagenen Beinen hocken die Besitzer
auf dem Auslagetisch. Oa gibt es in jeder Gasse eine andere Zunft, hier Silberarbeiter,
drüben Töpfer, Kupferschmiede, Schneider, Pantoffelhändler. Mehrere Gassen füllen
die Kofferbuden; bei der allgemeinen Reiselust der Inder sind diese sonderbaren, stahl-
blechernen, kindersargähnlichen, buntbeklexten Handkoffer, von denen ich zuerst gar
nicht wußte, was sie vorstellen, einer der gangbarsten Handelsartikel." Auf einem kleinen,
freien Platz haben sich zahlreiche Menschen um einige Schlangenbändiger geschart
(^bb. l, § 50). Oie Gaukler lassen auf pfeifen und okarinaartigen Instrumenten ein-
tönige Melodien erschallen, worauf die Schlangen — es sind die gefährlichen Brillen-
schlangen — aus ihren Körben hervorkommen, sich hoch aufrichten, den hals weit auf-
blähen, wobei die Brillenzeichnung deutlich erkennbar wird, und den Oberkörper nach
dem Takte der Musik wie tanzend hin und her bewegen, plötzlich fährt eins der Reptile
wütend auf den einen der Bändiger — von diesem anscheinend absichtlich gereizt — los,
ihn heftig ins Handgelenk beißend. Kaltblütig faßt er sie und birgt sie in ihren Korb.
Oer Biß gehört mit zum „Geschäft" und ist für den Gaukler ungefährlich, weshalb, steht
noch immer nicht ganz fest. Nach den neuesten Beobachtungen sind die Bändiger durch
reichlichen Genuß oder Einimpfung von Schlangengift giftfest geworden. — Das bunt-
farbige Leben und Treiben im Eingeborenenviertel dauert bis spät in die Nacht. w?m es
im Hause zu heiß ist, oder wer überhaupt kein Obdach hat, legt sich auf der Straße zur
nächtlichen Ruhe nieder, „vom Schein öltriefender Laternen nur wenig geschützt, sperren
die unbedeckten Leiber brauner Schläfer die Straßen, nach indischer Sitte nur den Kopf
' Neuerdings benutzt man statt des Zisternenwassers destilliertes Seewasser.