1. Asien
- S. 93
1916 -
Leipzig
: List & von Bressensdorf
- Autor: Sievert, August, Harms, Heinrich, Riedel, Johannes, Eggers, Willy, Brüning, Kurt, Müller, Albin Arno, Ester, Karl d', Lücke, Emil, Lehmann, Herbert
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Präparandenanstalt, Seminaranstalt
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Vorderindien.
nur Schiwa, dmn ihm,
dem Gott des wilden
Zerstörens, sind diese,
den fltem stocken lassen-
den Bauten gewidmet.
„ ,Schiwa' — brüllt jedes
dieser zahllosen, aus den
tausend Pfeilern heraus-
gemeißelten Steinbildnis-
se, der angsterregenden,
übernatürlichen Drachen,
fliegenden Rosse, fauchen-
den Ungeheuer mit den
greulichen Glotzaugen, d en
unzähligen Gliedmaßen
und aufgesperrten Rachen,
aus denen rotschillernde
Zungen gräßlich herab-
hängen, — jede der schie-
lenden Teufelsfratzen, die
dem unvorbereiteten Tu-
ropäer geradezu den 5ltem
nehmen." „Überall gleitet
der verstörte Blick von den
Steinungeheuern ab, von
den öltriefenden, mitzinn-
ober rotgefärbten Schiwa-
darstellungen, die sich im-
mer wilder gebärden, und
verliert sich in scheinbare,
halbdunkle Unendlichkeit.
Schiwa in jeder Korm und
Inkarnation, als Sunda- Abb. 3, § 58. Götzenbilder (Brillenschlangen) am Wege
reschwa, als Krischna, als in Südindien. Davor ein betender Hindu.
Subranima mit sechs Köp-
fen, als sein eigener Sohn Karthifeyn mit zwölf Armen und auf einem Pfau reitend,
als Kriegsgott mit gezücktem Schwert, fast überall in indezenter Umarmung mit seiner
Gattin parvathi (oder Ourga), der hier als Minakschi, der Zischäugigen, die halbe
Pagode Untertan ist." Mitunter finden sich zwischen diesen Greuelbildern
auch wundervolle Leistungen der Steinbildnerei (5lbb. 1 und 3 im Titel):
„Künstlerisch vollendete Pferdeleiber sind mit dem Reiter und dem Legleithund aus
Monolithen herausgemeißelt\ fliegende Papageien und großartige Löwen sind
eins mit dem Stein der kunstvollen Sockel. Schlafende Götter liegen auf fünfköpfigen
Schlangen, darüber tanzt Lakschmi (Ourga) mit jubelnder Gebärde." Oie kilo-
meterlangen, konzentrischen Ringmauern (in Trichinopolis sind es sieben), tragen
über den Toren gewaltige Gopuren. Oas sind bis zu 5v m hohe Türme, die sich
auf rechteckiger Basis nach oben zu in einem Zirst verjüngen (s. Abb. 1, §58) und auf den
Breitseiten mit unzähligen Götzenbildern bedeckt sind: „In l5 Stockwerken stehen viele
hunderte menschenähnlicher Steinmonstren übereinander,- ihre tausend Gliedmaßen
dräuen in gräßlichen Verrenkungen, ihre tausend Gesichter in unsinnigen verbildungen,
ihre tausend Kugen in scheußlichem Gaffen herab. Liegend, stehend, tanzend, auf einem
Lein oder auf zwanzig im Kreise nebeneinandergestellten Schenkel, mit je zehn rechts
und links fächerartig angeordneten Krmen, auf Zabelwesen, geflügelten Krokodilen,
schlangenartigen Vögeln reitend, in grauenhafter Umarmung von Schlangen, deren un-
zählige Köpfe sich durcheinander schlingen, so füllen sie diese Gopuren in einer jeder
menschlichen Kunst hohnsprechenden, ausschweifenden Zügellosigkeit. Dazwischen ragen
Säulchen und Simse aus dem Chaos, Bogen und Nischenkrönungen von überraschender
Schönheit, Blumenornamente in feinster Zeichnung, denen Bananenblüten das Grund-
motiv bilden. Und alles scheint sich zu bewegen, zu hüpfen, zu kriechen, Alles brüllt
1 Monolith = aus einer einzigen Zelsmasse herausgehauen.