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1. Bilder aus den deutschen Kolonien - S. 76

1908 - Essen : Baedeker
— 76 — 4. Das Ovamboland. Das Ovamboland ist der nördlichste Teil unseres Schutzgebietes. Es ist in mehrere voneinander unabhängige Stämme geteilt. An der Spitze eines jeden Stammes steht ein Häuptling, der noch Selbstherrscher im wahrsten Sinne des Wortes ist. An Bevölkerung wird das Ovamboland nach Ansicht der Missionare mehr als 100000 Menschen zählen, und man kann annehmen, daß die Ovambo mindestens 10 bis 15000 Krieger aufbringen könnten. Sie waren aber ihren Nachbarn nicht gewachsen, und die Handvoll Hottentotten des Kaokofeldes, die jahrelang mit ihnen Krieg geführt und Tausende von Rindern geraubt hatten, hatten wenig Furcht vor ihnen. Noch ist ihre mili- tärische Kraft nicht einheitlich zusammengeschlossen, sondern in viele kleine Stämme zersplittert, die aufeinander eifersüchtig und fortwährend in gegen- seitiger Fehde begriffen sind. Was den Zustand in Ovamboland für den Europäer so unsicher und unzuverlässig macht, ist der Umstand, das Recht und Gerechtigkeit in unserem Sinne nicht besteht, sondern alles von der Willkür des Häuptlings abhängt. In diesem Sinne kann man europäerfreundliche und europäerfeindliche Stämme unterscheiden; aber auch in den Gebieten jener Stämme ist der Europäer seines Lebens nicht mehr sicher, sobald ein Häuptling stirbt. Dann herrscht wochenlang die vollste Rechtlosigkeit; Mord und Totschlag sind an der Tages- ordnung, der ganze Stamm befindet sich in Aufruhr, und wehe den Weißen, die sich gerade in dieser Zeit in dem Gebiet aufhalten. Das wissen die Missionare ganz genau, mit denen ich mich gerade über diese Unsicherheit auf das ausführlichste unterhalten habe. Sie wissen, daß ihnen der Tod droht, wenn einer der Häuptlinge stirbt. Überhaupt spielt das Leben eines Menschen dort eine geringe Rolle. Der gegenseitige Mord ist sogar in der Familie nichts Ungewöhnliches und geschieht stets in hinterlistiger Weise, ohne daß die Außenwelt viel davon erfährt. Unsere ganze Reise durch das Ovamboland ist glatt verlaufen ohne irgendwelche Störung oder Schwierigkeit mit den Bewohnern. Der Grund hierfür mag wohl der gewesen sein, daß mein Name bei den Ovambo in freundlicher Weise bekannt war. Wir hatten schon seit dem Jahre 1892 Hunderte von Ovambo in den Otavi-Minen beschäftigt, die sich als Arbeiter sehr bewährt hatten; und die Ovambohäuptliuge hatten schon seit Jahren den Wunsch ausgesprochen, mich kennen zu lernen. In der Tat wurden wir auch überall auf das freundlichste aufgenommen, was schon dadurch zum Ausdruck kam, daß wir in allen Dörfern auf das reichlichste mit Kaffernbier bewirtet wurden. Interessant war unser Besuch bei einem der gefürchtetsten Häuptlinge. Die Ovambohäuptliuge haben die Gewohnheit, die Besucher, auch wenn es Weiße sind, gewöhnlich recht lange warten zu lassen. Ich hatte ihm mitteilen lassen, daß ich nicht warten, sondern sofort wieder meiner Wege gehen würde. In der Tat wurden wir auch sofort empfangen. Mein Begleiter hatte für alle Fälle einen geladenen Revolver in der Tasche. Der Häuptling saß auf einem Stuhl, er hatte europäische Kleidung an. Neben ihm kniete sein Rat- geber, ein dicker, großer Ovambo mit einem schlauen Bauerngesichte. Für uns standen zwei Stühle dem Häuptling gegenüber bereit. Ich habe selten ein so häßliches Gesicht gesehen wie das dieses Häupt- lings. Er blickte unausgesetzt vor sich hin, nur selten streifte uns ein scheuer
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