1908 -
Essen
: Baedeker
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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werden können. Hoch in die Lüfte ragt ein gewaltiger Kran, der Lasten von
150000 ^ Gewicht heben kann. Dort liegt auch ein eisernes Schwimmdock
verankert. Es ist das größte Schwimmdock Ostasiens. Die einzelnen Teile
sind in Deutschland hergestellt und hinausgeschafft worden. In Tsingtau
wurde dann das Dock an Land zusammengesetzt. Der riesige eiserne Bau
bot einen großartigen Anblick, als er fertig war und auf schräg gestellten
Balken vom Ufer hinab rauschend ins Wasser glitt. Jetzt brauchen unsere
deutschen Kriegsschiffe und Handelsschiffe nicht mehr, wie früher, in englische
oder japanische Docks zu gehen, sondern können in Tsingtau in einem beut-
schen Dock und von deutschen Schiffsbaumeistern wieder instand gesetzt werden.
Zur Rechten bietet sich uuserm Auge ein echtes Hafenbild. Vom Ufer
her springen zwei breite Molen in das Hafenbecken hinein, an deren Kai-
mauern auch die größten Schiffe, geradeso wie im Hafen von Hamburg, an-
legen. Hier macht auch unser „Fürst Bismarck" an der Mole fest, und wir
können nun an Land gehen und uns im Hafen von Tsingtau genauer
umsehen.
Es liegen dort deutsche, englische, japanische und amerikanische, auch
bisweilen norwegische Dampfer. Viele Segelschiffe kommen mit Holzladungen
aus Korea und Amerika nach Tsingtau, da die Chinesen leider all ihren Wald
abgeschlagen haben. Die Chinesen selbst haben bis jetzt noch wenige nach
europäischer Art gebaute Schiffe. Wie in allen Dingen, so halten sie auch
hier lange am Althergebrachten fest und bedienen sich nach wie vor noch
ihrer alten Segelschiffe. „Dschunken" heißen diese hochbordigen Schiffe mit
ein, zwei oder drei Masten. Die Segel daran sind nicht geteilt wie bei
uns, sondern an jedem Mast wird ein großes Segel aufgezogen. Seltsamer-
weise hat jedes chinesische Schiff vorn zwei große gemalte Augen: „damit
es seinen Weg sehen kann", sagen die Chinesen. Diese Dschunken, von
denen im Jahre viele Hunderte in Tsingtau ein- und auslaufen, ankern in
einem besonders abgeteilten Dschunkenhafen. Aber jetzt fehen die Chinesen
schon deu großen Vorteil der Dampfschiffe ein, und bald wird, wie fchon in
anderen Häfen Chinas, auch im Tsingtaner Hafen mancher Dampfer liegen,
der durch die gelbe Flagge mit dem Drachen sich als ein chinesischer Dampfer
zu erkennen gibt.
^Jede Mole entlang laufen Gleise der Eisenbahn; so kann die Ladung
der Schiffe unmittelbar von diesen in die Eisenbahnwagen verladen werden
und umgekehrt.
Alle Waren, die nicht gleich mit der Eisenbahn fortgeschafft werden
sollen, finden einstweilen in geräumigen Lagerschuppen Aufnahme. In diesen
liegen auch alle Waren, die aus dem Innern Chinas zusammengekommen
sind, um von Tsingtau aus zu Schiff weiter versandt zu werden.
Alle Arbeiter, die beim Laden und Löschen der Schiffe beschäftigt sind,
sind Chinesen; den chinesischen Handarbeiter nennt man Kuli. Bekanntlich
tragen alle Chinesen einen langen Zopf. Bei der Arbeit haben die Kulis ihren
Zopf um den Kopf geschlungen. Sie tragen blauleinene, weite Jacken und
weite, blaue Hosen, die sie an den Knöcheln zubinden. Weil sie bei großer
Hitze und schwerer Arbeit den Oberkörper entblößen, ist dieser ebenso wie
Arme und Gesicht von der Sonne ganz kupferbraun gebrannt. An den
Füßen haben sie Strohsandalen oder Schuhe mit Filzsohlen.
Mit stoßweisem singenden „ho-ho" schleppen sie die Lasten von den
schiffen ans Land oder aus deu Lagerschuppen und Eisenbahnwagen an
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