1900 -
Minden i. W.
: Volkening
- Autor: Schulze, Georg
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrer- und Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Westfalen
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
— 129 —
Genossen und schlich oft träumend am Hause des Bruders vorüber,
um die Holde erspähen zu können. Sein Groll gegen Hans wuchs
jedoch täglich, er beneidete ihn, daß er die Geliebte sprechen konnte,
und Rachepläne gegen den Bruder füllten sein Inneres. Endlich
wollte er Gewißheit haben, und eines Tages in Abwesenheit seines
Bruders harrte er auf sie, bis sie in den Garten trat; hier beschwur
er Margaretha aufs neue und beteuerte ihr seine aufrichtige Liebe,
aber vergebens; ängstlich stieß sie ihn von sich, floh in das Haus
und vor dem Kruzifixe des Herrn betete sie um Erlösung von der
Zudringlichkeit des wilden Jürgens.
Als am Abend Hans heimkehrte, fand er die Geliebte in
Thränen. Sie erzählte ihm alles und bat um seinen Schutz. Nun
beichtete Hans, wie er sie seit ihrem Eintritt in das elterliche Haus
geliebt habe, aber nicht gewagt, ihr seine Liebe zu gestehen, jetzt
wolle er sie zu seiner Gattin nehmen und vor allem behüten. Ein
Blick reiner Freude strahlte bei diesen Worten aus ihren Augen und
fest umschlungen hielten sich die so Gefundenen. Doch inmitten
dieses Glücks klirrte das Fenster, Wut in dem Antlitz schrie Jürge:
„Ha, Schändliche, um des Milchbarts willen hast du mich ab-
gewiesen?! Verderben über euch, und sollte es meine Seligkeit
kosten!" —
Hans verrichtete seine Arbeit jetzt mit einem Fleiß und einer
Fröhlichkeit, die Gretchen lange nicht an ihm bemerkt hatte. Jürge
suchte wieder die wilde Gesellschaft seiner Zechgenossen auf und
ergab sich ganz der wilden Gier. Beide Brüder vermieden sich
sorgfältig, denn anch Hans fürchtete den Jähzorn seines Bruders.
So rückte der Hochzeitsmorgeu für Hans und Grete heran,
Stattlich geschmückt standen die Leiterwagen vor der Thür, um das
Brautpaar zur Kirche zu geleiten, die Burschen und Mädchen des
Dorfes folgten als Brautjungfern und Brautknechte unter fröhlichem
Lachen, und jeder freute sich über das hübsche Paar, dem das ganze
Dorf viel Liebe schenkte. Kurz vor dem Eingang des Klosters er-
schallte eine Stimme aus dem Gebüsch: „Die Rache ist reif, zwei
Fliegen auf einen Schlag!" Die Burschen wollten den Frechen
packen; doch sahen sie niemand, nur das Brautpaar ahnte den
Schulze, Heimatskunde. 9