1900 -
Minden i. W.
: Volkening
- Autor: Schulze, Georg
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrer- und Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Westfalen
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Kuno, daher der tiefe Schmerz; Jahre lang hatte Hilda schon um
Kuno getrauert, aber der, den sie liebte, blieb verschwunden. Ter
Vater hatte für Hilda einen Freier bestimmt, trotzdem erklärte sie,
niemals heiraten zu wollen. Aber des Vaters Starrsinn ließ sich
nicht so leicht brechen, dieses wußte auch Hilda. Eines Tages
sammelten sich in dem weiten Burghofe viele Ritter aus den
deutschen Gauen, und darüber verwunderte sich Hilda sehr. Ein
Herold trat in den Kreis der Ritter, entfaltete eine Pergament-
rolle, und man vernahm die Worte: „Ich, der Graf von Rieneck,
thue hiermit kund und zu wissen, daß ich demjenigen, der mich beim
Schwerterkampfe in den Sand streckt, meine Tochter Hilda zum
Weibe gebe." Als Hilda diese Worte hörte, stieß sie einen gellenden
Schrei aus und stürzte ohnmächtig zu Boden. Vom Vater hatte sie
kein Erbarmen zu erwarten, das wußte sie nur zu gut.
Am andern Tage begann der Kampf. Ein Ritter nach dem
andern wurde von Rieneck aus dem Sattel gehoben und schon
wagte es niemand mehr, mit dem siegreichen Ritter zu kämpfen.
Ta sprengte ein schwarzgekleideter Ritter in den Burghof, neigte
sein Haupt und sprach: „Wie ich vernommen, soll um den Besitz
des Burgfräuleins gekämpft werden, wie man um einen goldenen
Kranz kämpft. Ich, der Lyntburger, gebe mein Leben für die
Maid dahin." Zornentbrannt zog Rieneck sein Schwert, und nun
begann ein furchtbarer Kampf. Kunos Schwert sauste Hernieder
und tätlich getroffen sank Rieneck zur Erde. Vom Erker aus hatte
Hilda dem Zweikampf zugeschaut, und als sie den Vater sinken
sah, stieß sie einen furchtbaren Schrei aus. Kuno erblaßte, warf
sein Schwert weit von sich und verschwand.
Das Burgfräulein, obwohl namenloses Weh im Herzen, trug
das herbe Loos in frommer Ergebung. Auf dem Gesteine, welches
das Blut des geliebten Vaters getrunken hatte, ließ sie ein Kreuz
aufrichten mit dem Bilde dessen, der für die Sünden der Welt frei-
willig den bittersten Tod gestorben. Wenn der Schmerz sie über-
mannte, eilte sie zu dem Kreuze und flehte im heißen Gebete zu
dem Allbarmherzigen um den Frieden ihrer Seele, — und er ward
ihr gewährt. Sie sagte sich los von der Erde und nahm den Schleier.
Die prächtige Burg Rieneck wurde zu einem Kloster Nonnenstein