1900 -
Minden i. W.
: Volkening
- Autor: Schulze, Georg
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrer- und Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Westfalen
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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solch Getier nicht kannte, für einen Raben an und gab daher den
Namen. Die alten Burgmänner von Ravensberg führen anch in
ihrem Siegel und Helmzeichen einen auf dem Berge sitzenden Raben.
Drusus soll ferner am Fuße des Berges die später zerstörte Stadt
Cleve, von der die jetzige Bauerschaft gleichen Namens ein Über-
bleibsel sei, angelegt haben. Römische Münzen, Urnen und Waffen
sind beim Ravensberge genug gefunden. Ob aber die dort übliche
Verwünschung: „Das di de Dusend!" eigentlich heißen muß:
„Dat di de Drus hale!" und Drus als Drusus zu verstehen ist,
dürfte doch sehr fraglich erscheinen.
Merkwürdig ist der noch wohl erhaltene Brunnen auf dem
Burghose. Er ist über 100 m tief, und sein Wasser versiegt nur
in außerordentlich heißen Sommern. Ein großes, mühevolles Werk
war es, den Schacht durch das Felsgestein so tief zu graben. Die
Sage schreibt den Brunnenbau zwei Rittern zu, die von dem Grafen
von Ravensberg nach langer, blutiger Fehde besiegt worden waren.
In dem dunkeln, schaurigen Burgverließ hielt er sie gefangen. Schon
hatten sie alle Hoffnung aufgegeben, wieder befreit zu werden,
da meldete ihnen der Kerkermeister eines Tages, daß er ihnen
kein Wasser mehr zum Trünke reichen könne. Die Quellen an
den Abhängen des Berges seien in der Hitze des Sommers ver-
siegt, die Brunnen in der Umgegend ausgetrocknet, und die gräs-
liche Familie sei selber durch den Wassermangel in große Not
gebracht. Sofort ließen die Gefangenen dem Grafen melden, daß
sie bereit seien, mit eigener Hand einen Brunnen auf dem Burg*
Hofe zu graben, so tief, daß es ihm niemals an Wasser fehlen
werde, wenn er ihnen nach vollbrachtem Werke die Freiheit schenke.
Der Burgherr willigte ein. Freudig begannen die beiden das saure
Werk. Von der Frühe des Morgens bis zum Scheine des Abend-
sterns, in Frost und Hitze arbeiteten sie sich durch das harte
Gestein. Wenn der Schweiß von der Stirne träufelte und die
Hände laß werden wollten — so hielt sie die Hoffnung aufrecht,
und sie verzagten nicht. Jahre vergingen, tiefer und tiefer wurde
der Brunnenschacht; noch aber zeigte sich von dem Felsenquell
keine Spur. Da, an einem lieblichen Frühlingsmorgen, wurden
sie noch einmal hinabgelassen in den dunkeln Schlund. Gewaltige
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