1901 -
Leipzig [u.a.]
: Bibliogr. Inst.
- Autor: Geistbeck, Alois
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Atlas
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Das Felsengebirge. 55
alatten, vertikalen Seitenwänden des Thales. Und selbst tief unten, in der Illütte des Thales,
findet man vereinzelt die sonderbaren Gebilde, als wären es Weiber, wie einst Lots weib, in
Stein verwandelt. Lines der Monumente hat die Form eines Schmiede-Amboß; andere wieder
sehen aus wie versteinerte Priester. Dieser letzteren Gruppe wurde der Name „holländische
Hochzeit" beigelegt. Die Farbe dieser Monumente ist verschieden, vom blendendsten Weiß bis
ins schwärzliche Grau sind alle Farben vertreten, und wenn Colorado (farbiges Land) seinen
Namen wirklich verdient, so verdankt es dies jenen wunderlichen, vielfarbigen Gebilden."
Ungleich großartiger sind ^die sogenannten Bad Lands oder Mauvaise Terre (das
üble Land) zwischen den Schwarzen Bergen (Black -lms) und dem Z^ellowstone, eine der merk-
würdigsten und schauerlichsten Lrosionslandschaften der Lrde, die von den Atmosphärilien in
zahllose Bastionen, Zinnen, Türme, Grate, Schluchten zernagt worden ist und durchaus den
Charakter der wüste trägt. „Indem man sich", so schildert I. Lvans, einer der berühmtesten
Erforscher des amerikanischen Westens, „vom Sage Treek aus dem white River nähert,
öffnet sich der Ausblick auf die Mauvaises Terres, der eines der ungewöhnlichsten und pitto-
reskesten Bilder entrollt, die im ganzen Missourigebiet zu finden sind, von der einförmigen,
offenen Prärie steigt der Wanderer 30—60 m hinab in ein Thal, das aussieht, als ob es aus
einer Welt versunken sei, die Tausende von hohen Säulen und Obelisken, scharf voneinander
geschieden, steil zu 60 m und mehr ansteigend, ofr von unregelmäßigen Pyramiden gekrönt,
in ihm hinterlassen habe. So dicht stehen diese natürlichen Säulen und Türme über die Ober-
fläche dieses merkwürdigen Thales zerstreut, daß man sich nur auf tiefen, schmalen, labyrinthi-
schen Gängen durch sie hinwindet, die den schmalen gekrümmten Straßen irgend einer alt-
europäischen Stadt nicht unähnlich sind. Aus der Ferne gesehen nehmen in der That diese
Felsmassen in ihrer endlosen Aufeinanderfolge den Schein massiger Bauten an, aus denen
Zinnen und Türme, Pfeiler und Thorwege sich in buntester Mannigfaltigkeit hervorheben.
Man könnte glauben, in den Bau einer Totenstadt eingetreten zu sein, wo irgend eine ver-
schollene Nation tausend Denkmale ihres Geistes und ihrer Arbeit hinterlassen hat. Freilich
schwindet dieser Schein, wenn man von der L^öhe herabsteigt, um sich einen weg durch das
Labyrinth zu bahnen und dasselbe in seinen verborgensten Winkeln kennen zu lernen. Gde und
wüste starrt da von allen Seiten entgegen. In: Sommer liegt die Sonne in den engen Gassen,
die weißen oder aschfarbenen wände der Felsbauten werfen dann ihre Strahlen heiß zurück,
und kein Windhauch noch der Schatten eines einzigen Strauches mildert die Glut. Nur der
Geolog fühlt seinen Geist hier noch angeregt. Ihm lohnen reiche Schätze von Fossilien die
Mühe der Wanderung in dieser Felsenwüste.
Den Glanzpunkt landschaftlicher Merkwürdigkeiten des Felsengebirges bildet aber das be-
rühmte L^ochthal des Z^ellowstone-Parkes in Wyoming, das größte Geysergebiet der £rde.
3n seinem Süden breitet sich der große, von schneebedeckten Bergkolossen umrahmte vellowstone-
see aus, nach dem Titicacasee in Peru und Bolivia der höchstgelegene See Amerikas (2^.00 m)
und zugleich eine seiner berühmtesten Naturschönheiten. Unzählige smaragdgrüne Inseln sind
über die Fläche des Seespiegels hingestreut, die Wälder in seiner Umgebung waren berühmt
durch die Menge des Hochwildes, der Llentiere, Bären, wilden Schafe. Das Wasser des an
J00 m tiefen Sees ist mit Schwefel imprägniert, hunderte von heißen (Quellen entspringen
an seinen Ufern, den im Innern der Lrde erzeugten Dampf pfeifend und pustend wie aus
einer Lokomotive hervorblasend. Die wunderbarste Region ist aber das Thal des oberen
Madisonflusses, dem man den Namen „Feuerlochfluß" gegeben hat. Das 2—3 englische
Meilen breite Thal enthält hunderte von Geysern, heißen Quellen und Fontänen, die Strahlen
bis zu 250 Fuß Höhe auswerfen. Die Atmosphäre ist stets mit heißem Dampf und schwefligen
Gerüchen erfüllt, die den Spalten der Lrdrinde entströmen. Blasen entstehen auf der Ober-
fläche, und Dampfstrahlen schießen pfeifend aus Hunderten von wandernden Offnungen her-
vor. Der Boden gibt unter dem Tritte nach, und aus den Fußstapfen treten gelbe, dicke, übel-
riechende Massen hervor. Alle Öffnungen prodeln, pusten und werfen ihren flüssigen Inhalt
hunderte von Fuß empor und auf das umliegende Terrain. Baumäste werden in kürzester
Frist mit dicken Schichten bleifarbigen Schlammes überzogen. Am oberen Laufe des Feuerloch-
flusses liegen die größten Krater, der Riesen -Geyser (Giant), der Fächergeyser u. a. In der
Richtung gegen den ^ellowstonefluß liegen die berühmtesten Schlammvulkane des Parks.