1913 -
Berlin [u.a.]
: Oldenbourg
- Autor: Wütschke, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
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und tat alles dafür, um den Baumwollenbau der Eingeborenen durch Einführung
und Anpflanzung amerikanischen Samens, durch Gewährung von Vorschüssen
an die Grundbesitzer und Kaufleute usw. zu heben. Die Folge dieser jetzt etwa
25 Jahre alten Bestrebungen ist die, daß gegenwärtig 0,6—0,7 Millionen Ballen
gereinigter Baumwolle zur Ausfuhr aus Turkestau uach den: europäischen Ruß-
land gelangen, eine Menge, die hinreichend ist, um die Hälfte des Baumwollen-
bedarfs der russischen Mannfaktnrindustrie zu decken. Dieser Aufschwung der
Baumwollenkultur datiert aber von dem Augenblick an, wo die Transkaspische
Eisenbahn die alten Baumwollengebiete jenseits des Oxns (Amn-Darja) erreichte.
Bis dahin wurde uicht mehr Baumwollenfaser angebaut, als der lokale Bedarf er-
forderte, und alle Verbesserungen des Samens, alle Kreditgewährungen und Er-
munterungen hätten herzlich wenig zuwege gebracht, wenn nicht durch die Bahn
die Möglichkeit des vorteilhaften Absatzes und der Ausfuhr gegeben worden wäre.
Die russischen Spinner zahlen die rund 150 Millionen Mark, die sie vorher an
amerikanische und ägyptische Plantagenbesitzer entrichten mußten, jetzt an die
Bauern in Tnrkestan. Der Reichtum des Landes wächst daher in merklicher Pro-
gression von Jahr zu Jahr, und die Eingeborenen werden wohlhabend, werden
kaufkräftige Abnehmer für die russischen eben aus dieser selben turkestanischen
Baumwolle hergestellten Manufakturwaren und andere Erzeugnisse der russischen
Fabrikindustrie.
Etwas Ähnliches muß auch das Ziel bei der Erschließung türkischer Landesteile
durch die Bagdadbahn sein. Das nordwestliche Mesopotamien und die angrenzenden
Teile Syriens sind im Altertum eines der bedeutendsten Zentren der Baumwollen-
knltur gewesen; sie sind es auch bis ziemlich ties ins arabische Mittelalter hinein ge-
blieben, und vereinzelte praktische Erfahrungen, die heute uoch gemacht werden,
beweisen ebenso wie schriftliche Nachrichten aus früherer Zeit, daß der Boden und
das Klima der Landstriche z. B. am Belich und Chabur der Baumwollenstaude
außerordentlich zusagen. Gegenwärtig sind es zwei Gründe, die nicht nur die
Baumwollenkultur, sondern jede Nutzung des Bodens überhaupt in gleicher Weise
verhindern: die Unsicherheit und der Mangel an Verkehrsmitteln. Eins wie das
andere wird vor der Eisenbahn weichen. Hat der mesopotamische Bauer erst die
Sicherheit, daß seine Ernte ihm nicht von den Arabern der Steppe oder kurdischen
Plünderern aus dem nördlichen und östlichen Berglande geraubt wird, daß er sein
Produkt, soviel er davon über den eigenen Bedarf hinaus erzeugt, an sichere
Abnehmer verkaufen kann, so wird er von selber wieder in die Steppe hinaus-
ziehen und Baumwolle längs den Flüssen pflanzen, die sie durchziehen; gleich seinen
Vorfahren vor 700 und vor Taufenden von Jahren. Selbstverständlich werden es
meist fremde Kapitalien sein müssen, die eine solche Entwicklung anbahnen
helfen, denn ohne finanzielle Unterstützung wird die Baumwollenkultur iu Meso-
potamien eine rasche und gedeihliche Ausbreitung nicht nehmen können und die
türkische Kapitalkraft wird allein dazu nicht ausreichen. Nicht deutsche Bauern,
wohl aber deutsches Geld müssen den Boden Mesopotamiens in weitestem Maßstabe