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1. Erdkundliches Lesebuch für höhere Schulen - S. 91

1913 - Berlin [u.a.] : Oldenbourg
20. Auf der Karawanenstraße von Tanger nach Fes. 91 diesen Hauptteil des Blad el Machsen, des scherifischen Kernlandes, durch- ziehen und alle mehr oder weniger auf dem Wege nach Fes hier zusammen- laufen. Und da bei dem bekannten Mangel an Brücken und Fähren — denn auch davon gibt es nur an den begangensten Stellen wie am Wad el Kns vor El Ksar el Kbir das eine oder andere traurige Probestück — auch die erfahrensten Reisenden auf die Hilfe der furtenkundigen Anwohner an- gewiesen sind, so ergibt das Warten auf Führer an den Ufern immer ein buntes Bild echt morgenländischen Karawanenlebens. Lange Züge von schwer beladenen, langsam und gleichmäßig sich fort- schiebenden Kamelen, größere und kleinere Gruppen von Maultieren und Eseln mit ihren stimmkräftigen Treibern, hochgemut und mürrisch drein- schauende Reiter mit langer Flinte und bescheidene Fußgänger, alle müssen sie unterschiedslos an den steilen Böschungen des seine schmutzigbraunen Fluten rasch vorbeijagenden Stromes halten, absitzen und geduldig auf die Rückkehr der Furtenführer warten. Man läßt die Tiere in der Nähe grasen, bessert an der Verladung und Verschnüruug der Lasten etwas nach und setzt sich dann ins Gras, zieht die kleine Hanfpfeife aus der rotledernen Umhänge- tasche und fängt, gemächlich und bedächtig, ein Gespräch an mit dem ersten besten Wanderer und Maultiertreiber, der einem zunächst am Boden sitzt. Erst werden natürlich mit großer Ausführlichkeit die begrüßenden Redens- arten ausgetauscht, in denen stets mehr von Allah und Mulai Jdriß und anderen Landesheiligen als von einem selbst die Rede ist. Aber man hat hierzulande Zeit und läßt sich's nicht verdrießen, ein paar Minuten zu ver- lieren mit leeren Worten, frommen Fragen und wohlwollenden Wünschen, die bei aller ihrer geschäftsmäßigen Gleichartigkeit doch mit geschickt gespielter Teilnahme vorgebracht werden, wie es sich bei einem wohlerzogenen Mauren, der immer Allah und seine Heiligen im Munde führen muß, vollkommen von selbst versteht. Dann erst kommen ganz allmählich die Fragen an die Reihe, die jedem längst auf der Zunge brennen: Woher des Wegs? Wohin? Was habt ihr geladen? Wieviel seid ihr in eurer Karawane? Wo habt ihr euren letzten Halt gemacht? Wie weit gedenkt ihr heute noch zu kommen? Und dann natürlich die Erkundigungen nach den Zuständen in der Hauptstadt, nach den neuesten Nachrichten vom Kriegsschauplatz und von der Haltung der schwanken- den Stämme, die teils zum Sultan stehen, teils schon zu den Aufständischen übergegangen sind. Und, merkwürdig, wie dieser Austausch von Frage und Antwort auch sofort wieder die Lust zu fabulieren weckt, wie jeder gern groß tun möchte mit besondern Erlebnissen und schrecklichen Nachrichten vom Wege, die ihn zum Mittelpunkt eines bewundernd lauschenden Zuhörerkreises machen sollen. Die letzten Tage, wo ich durch ein einsames, spärlich bevölkertes Land ge- zogen war, hatte man den Aufstand und alle Mären von Krieg und Kriegs- gefchrei völlig vergessen. Hier, beim Zusammentreffen mit den Weggenossen,
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