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1. Erdkundliches Lesebuch für höhere Schulen - S. 223

1913 - Berlin [u.a.] : Oldenbourg
45. Vom Volkstum der Lüneburger Heide. 223 fährt oft vierter Klasse: „Ek kom just so froi", und die großen Ölbauern in Wietze, die täglich mehrere hundert Mark aus den Ölquellen beziehen, bringen genau so wie früher selber den Dung aus ihre Felder. Nicht nur dem Range auch der Arbeitsleistung nach ist der Bauer der erste Knecht seines Hofes. So erzieht hier der Boden nicht jene wundervollen Gestalten voll über- schäumender Urkrast, wie etwa in Oberbayern oder Tirol. Hier gibt es nicht jenen lauten Sehnsuchtsjauchzer des Jägers, den die ferne Sennerin im Ge- birge jubelnd erwidert. Wilder Leidenschaft mißtraut der Bauer als Satans- werk. Ihr verzehrendes Feuer bändigt er mit kühler Besonnenheit zu milder Flamme, daß sie ihm helse, den häuslichen Herd das lange Leben hindurch zu erwärmen. Eigentlicher Bauernstolz im häßlichen Sinne ist hier nicht wie in der Marsch zu Hause. Es fehlt an dem schroffen Gegensatz zwischen arm und reich, der eben solches Empfinden aufkommen läßt. Bei der Spärlichkeit der Schankstätten und den weiten Entfernungen kann der Wirtshausbesuch nur gering sein. Auch Spiel- und Prozeßsucht ist nicht eigentlich verbreitet. Über einem Hause bei Walsrode steht der mehr als weise Spruch: „Nim, Herr, dit Hus in Dine Hut, dat Doktor und Askaten bliwen but". Wie sehr Haus und Hof im Mittelpunkt des ganzen Daseins stehen, spricht vielleicht am naivsten die Sitte aus, daß nicht der Bauer dem Hof den Namen gibt, sondern der Hof dem besitzenden Herrn. Hat jemand einen Hof käuflich oder durch Erbgang erworben, so verliert er und seine Kinder im Volksmunde den angeborenen Namen und wird nach dem Hose genannt. Hieß er etwa Meyer und erwarb „Roggenhof," so heißt er von nun ab Rogge. Nur bei dieser Wertschätzung kann es kommen, daß in dem ganzen Gebiet der Hos seit alters unteilbar ist und das Anerbenrecht besteht. Der alternde Vater macht mit einem der Söhne — gewöhnlich dem ältesten — einen Vertrag, selten ein Testament, das als todverkündend gilt, in dem die schmalen Abfindungen der andern Kinder festgesetzt werden. Der jüngere Sohn wurde wenigstens in früherer Zeit gewöhnlich Knecht bei dem älteren und die Schwester Magd. Das scheint furchtbar hart. In Wahrheit ist es nicht so hart gewesen, da die Lebenssührung des Bauern und des Knechtes gleich ist. Dazu kommt, daß vor der Verkoppelung und Gemeinheitsteilung das Versügnngsrecht des Besitzers sich doch eigentlich wenig über Haus- und Hofraum hinaus erstreckte. In Wirklichkeit blieb der Hof im Besitz der Fa- milie, und wie billig gab der Familienälteste den Namen aus. So konnte es kommen, daß die Geschwister um des belasteten Stammhoses willen oft fogar auf eine Abfindung überhaupt verzichteten. Härter wurde die Sitte nach Teilung der Gemeinheit, von der der jüngere Sohn als Nichtbaner aus- geschlossen wurde. Erst dadurch wuchsen die Höfe zu der enormen Ausdeh- nnng. So hat der ältere dem jüngeren Bruder gegenüber das Königs- gefühl des Grundbesitzers. So weit das Auge reicht, dehnt sich sein Land: „Dat is all min", und auf diesem kleinen Stück der großen Erde lebt er wie
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