1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Allgemeine Übersicht.
Blütezeit hinter sich, die germanischen befinden sich in derselben oder
erwarten sie noch. Die romanischen Völker sind der Mehrzahl nach
katholischer Religion, die germanischen haben die Kirchenverbesserung in
ihrer Mitte entstehen sehen und sich auch iu Überwiegeuder Zahl der-
selben zugewandt.
Ein Volk romanischen Stammes, das in der Geschichte einst eine
Hauptrolle gespielt, sind die Italiener. Welche Erinnerungen knüpfen
sich an Italien, welche Schätze birgt es noch heute! Noch heute zieht es
Tausende mit unwiderstehlichem Zuge in das „Land, wo die Citronen
blühen", mit seinen Myrten und Orangen, noch heute sind seine
Museen und Kunstsammlungen ein Anziehungspunkt sür Künstler und
Kunstfreunde, noch heute forscht der Gelehrte in den unerschöpflichen
Archiven seiner Hauptstädte. Roms Macht ist zweimal dahiugesuukeu,
aber wenn der Reisende die Kuppel der Peterskirche am Himmel auf-
tauchen sieht, so klopft sein Herz höher, und sein Fuß betritt nicht
ohne eine gewisse Erreguug die Räume der heiligen Stadt. Doch em-
pfangen die Reisenden, die das schöne Italien durchziehen, öfter den
Eindruck, daß ein Volk in ihm wohnt, das an den Ruhm feiner Ahnen
nicht heranreicht.
Die wissenschaftliche Tüchtigkeit der Italiener und die Hand in
Hand mit derselben gehende allgemeine Volksbildung stehen auf
niedrigerer Stufe als in den meisten anderen europäischen Ländern.
Der Italiener aus den niederen Stünden erwirbt gern auf mühelose
Weise. Äußerst zudringliche Bettler belästigen den Reisenden, und
hundert Hände strecken sich bei jeder Gelegenheit, um ein Trinkgeld zu
erlangen, nach ihm aus. Früher waren auch die Gastwirte wegen
ihrer Neigung, die Rechnung des Gastes über Gebühr zu vergrößern,
in schlechtem Rufe. — Übrigens ist der Italiener von schöner Gestalt;
er hat meist dunkle Augen und dunkles Haar, ist leidenschaftlichen Ge-
müts und äußerst zuugeufertig. Seme schöne, vokalreiche Sprache, die
schön gesprochen schon gesangähnlich klingt, thut dem Ohre wohl und
sollte im übrigen Europa schon deswegen bekannter sein, als sie es ist,
weil die poetische Litteratnr der Italiener ziemlich reichhaltig ist.
Das stolzeste Volk der romanischen Rasse ist das spanische.
Seinen Stolz trägt der Spanier schon im Äußern zur Schau; er
bückt sich nicht gern und arbeitel nur, wenn er muß. Sein Vaterland,
das in seinen südlichsten Teilen fast tropische Vegetation hat und dort
die köstlichsten Weine und Südfrüchte hervorbringt, stellt keine großen
Anforderungen an seine Arbeitskraft; es bringt ihm fast von selbst
hervor, was er braucht. Und der Spanier braucht wenig, da Mäßigkeit,
besonders im Essen und Trinken, zu seinen Haupttugenden gehört.
Betrunkene siud iu Spanien von großer Seltenheit. Die Spanier
sind ebenfalls von schöner Gestalt. Die Männer tragen fast das
Jahr hindurch einen Mantel, der alle Einflüsse des Klimas abhält;
er ist, je nachdem er fester oder nachlässiger umgeschlagen ist, das
Thermometer der Witterung. Die spanischen Frauen und Mädchen,