1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Allgemeine'üb er ficht.
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die in den verschiedenen Gegenden verschiedene, aber immer höchst
malerische Kostüme tragen, sind wegen ihrer Schönheit berühmt; mit
unnachahmlicher Grazie tanzen sie die Tarantellas, oder „schlingen"
den Fandango, nach dem sich Geibels Zigeunerbube im kalten Norden
sehnt. Sie schlagen zum Tanze die Castagnetten^) und erfreuen den
Zuschauer durch bald langsame, bald leidenschaftlich schnelle Bewegungen
des Körpers, wie sie der Charakter ihrer Nationaltänze erfordert. —
Die Lebensweise des Spaniers ist sehr einfach und monoton. Eine
gewisse Gleichgültigkeit hindert ihn, für die Zukunft oder für den Er-
werb, der über das tägliche Bedürfnis hinausgeht, zu sorgen. Nichts-
thnn und Rauchen bilden seinen liebsten Zeitvertreib. Das Land ist
schwach bevölkert. Stundenlang sucht der Reisende auf den Hoch-
ebenen der beiden Kastilien nach Spuren von Menschen. Höchstens ein
Hirt, zu Pferde seine Tiere weidend und mit der Lanze bewaffnet,
begegnet ihm, wenn nicht der unheimliche Blick eines Räubers aus dem
Verstecke ihm auflauert. — Von der niederen Bildungsstufe, auf der
sich das spanische Volk noch befindet, zeugt sein Hauptvergnügen, die
Stiergefechte. Die Autodafss, welche die Inquisition einst zum Schreckeu,
aber auch zum Ergötzen des Volkes abhielt, sind verschwunden; dafür
erfreut sich arm und reich, hoch und niedrig im Cirkus an den Todes-
quälen der gereizten und dann nach allen Regeln der Kunst ver-
wundeten Stiere und feiert die siegreichen Matadores, wie man bei
uns große Künstler feiert.
Am nächsten unter den Völkern romanischen Stammes sind uns
Deutschen die Franzosen. Wenn man die Eigentümlichkeit der Fran-
zosen schildern will, so läuft man Gefahr, nur diejenigen der Pariser
zu schildern, denn Frankreich ist so sehr abhängig von seiner Haupt-
stadt, und diese bildet so sehr den Mittelpunkt des gesellschaftlichen und
politischen Lebens, daß man sie wohl das Herz Frankreichs genannt
hat. Der Kundige wird wissen, wie scharf sich der Bewohner der
Normandie von dem Gascogner, und der Picarde von den Nachbarn
der Pyrenäen unterscheidet. Für den fernstehenden Beobachter erscheint
leicht ganz Frankreich im Lichte von Paris. Durch den Krieg von
1870/71 sind wir Deutschen mannigfach in nähere Berührung mit den
Franzosen gekommen und haben Gelegenheit gehabt, die Licht- und
Schattenseiten ihres Charakters kennen zu lernen. Sonderbar ist es,
daß der Ausspruch Casars von den alten Galliern auch noch von den
heutigen Bewohnern dieses Lands gilt. Er nennt sie „lebhaft, rasch
auflodernd in Liebe und Zorn, doch unschwer zu besänftigen, veränder-
lich in ihren Neigungen, tapfer, besonders stürmisch im Angriff." Die
Eigentümlichkeiten des sanguinischen Temperaments, die in diesen Wor-
ten ausgesprochen sind, sind auch die Eigentümlichkeiten des französischen
Volkscharakters. Die Franzosen sind rasch zu erregen und zu begeistern.
*) Die Tarantella, ein Volkstanz nebst dazu gesungener Volksweise, des. in
Sicilien und Kalabrien üblich, nach der Stadt Tarent genannt. — **) An den
Händen befestigte Klappern.