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1. Bilder aus Europa mit Ausschluss des Deutschen Reiches - S. 53

1890 - Gotha : Behrend
Petersburg. 53 dieser Art braucht außer den eigentlichen Wohnzimmern auch einen Gesellschaftssaal, ein Besuchzimmer, ein Speisezimmer und eine Vorstube für die fremden Bedienten der Besuchenden. Equipagen und mehrere Bediente dürfen natürlich nicht fehlen. Wer nicht fo leben kann, wird nicht zu den Leuten vou gutem Ton gerechnet. Daher braucht jede Familie einen großen Raum: in einem nicht allzu großen Hanfe wohnt gewöhnlich nur eine Familie, und wer noch Mieter einnehmen will, muß ein großes Haus bauen. Dadurch unterscheidet sich Peters- bürg besonders von London und Paris, daß die Häuser groß, bequem und geschmackvoll sind. Schöne, breite, steinerne Treppen, hohe, geräumige Zimmer, Balkons in den Sälen, hohe Fenster mit großen Glasscheiben, geschmackvolle Öfen und Kamine, zierlich ausgelegte Fuß- bödeu gehören zu den Haupterfordernissen einer guten Wohnung. Überall sieht man, wie in England, Hansgerät von Mahagoniholz, Stühle mit Saffian überzogen, große Spiegel, marmorne Wandtische, Krön- leuchter, Tischuhren, Fußteppiche, Tapeten; alles dies ist so alltäglich, daß es auffällt, wenn man es nicht so findet. Noch größer ist der Aufwand der Tafel. Eigentliche Gastmähler sind hier selten; aber die Tafel ist täglich gut besetzt; man ist täglich darauf eingerichtet, Gäste zu empfangen. In der Zubereitung der Speisen herrscht ein sonderbares Gemisch von russischer, deutscher, französischer und englischer Kochknnst. Überall ist aber dabei auf Wohlgeschmack gerechnet. Vor Tische wird das sogenannte Schälchen (ein Glas Branntwein) herum- gereicht. Auch ist hier, wie in Schweden, nicht ungewöhnlich, vor der Mahlzeit stehend einige salzige oder saure Speisen zu genießen. In den meisten Häusern beginnt die Mahlzeit mit einer kalten Schüssel, auf welche die Suppe folgt. Dann eine Menge von Zwischenspeisen, überall sehr viel Fleisch. Das Gemüse muß einige Wochen früher vorgesetzt werden, als es unter freiem Himmel zur Reife gelangt; sonst schickt es sich uicht auf der Tafel; Fische von der leckerhaftesten Art und in großer Mannigfaltigkeit. Die Zahl der Schüsseln ist sehr ver- schieden. Die Eingeborenen geben deren sehr viele; die Ausländer weniger, aber ausgesuchtere. Wein wird überall getrunken, als wenn man in einem Weinlande wohnte. Sehr kostbar wird das Leben in Petersburg durch die Notwendigkeit, viele Bedienten zu halten. Weibliche Dienstboten werden nur in der Küche, im Waschhause und zur Wartung der Kinder gebraucht. Alle andern Dienste werden durch männliche ver- richtet, und zwar hat jeder Bediente nur eine Art Beschäftigung. Dennoch erhalten diese Leute einen hohen Lohn. Eine Familie des höheren Mittelstandes kann daher mit einer Einnahme unter 5000 Rubel nicht anständig leben. Der Tag beginnt für die vornehme Welt zu sehr verschiedener Zeit. Wenn die Unterbeamten schon seit 6 Uhr morgens im Vor- zimmer ihres Vorgesetzten warten, so sagt der wohlhabende Kaufmann um 9 oder 10 Uhr, es sei noch sehr früh. Das Leben in den Straßen richtet sich nach der Jahreszeit, im Winter wird es erst mit der Tageshelle lebendig, während im Sommer das Leben in den Straßen
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