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1. Bilder aus Europa mit Ausschluss des Deutschen Reiches - S. 68

1890 - Gotha : Behrend
68 Bilder aus Ost-Europa. da ein Mongolen- oder Totenhügel, eine Windmühle oder eine Gruppe hausartiger Heuschober oder ein Steppendorf mit seinen niedrigen Häusern emporrage». Weit schaut man über das Grasmeer von einer Bodenwelle bis zur andern, die sich als schwarzer Rand am fernen Horizont hinzieht; da bemerkt man nicht die vielgeteilten Schluchten, welche die Ebene in ein System von Würfeln und domartigen Kuppen zerteilen und den Reisenden oft zu weiten Umwegen zwingen. So prachtvoll der blumenreiche Frühling auch als Gesamtbild auf der Steppe erscheint, so hat er doch im einzelnen etwas sehr Er- müdendes. Denn die Blumen und Kräuter erscheinen nicht gemischt, sondern eine einzige Art bedeckt in endloser Wiederholung meilenweite Strecken, und außerdem sind die Pflanzen verwildert, schießen struuk- artig hoch auf und verholzen. Ein paar Meilen weit sieht man nichts als Wermut und Wermut, wieder ein paar Meilen nichts als Wicken, auf welche Königskerzen folgen oder Steinklee; eine Station lang sieht man nichts als hochhalmiges Seidenkraut mit seinen Millionen nickender Seidenbüschel, eine Mittagsschlaflänge Salbei und Lavendel, einen Horizontkreis voll Tulpen, ein Resedabeet von zwei Meilen im Umkreis, ganze Thäler voll Kümmel und Krauseminze, unbegrenzte Hügelgewölbe mit Windhexe und sechs Tagereisen mit frischem, kurz- stieligem Gras. Üppig schießen diese Gewächse in Strunk und Zweige, nur das Gras bleibt kurzhalmig. Die Distel erreicht die Höhe und Gestalt eines Kirschbaumes und bildet große Gehölze, zwischen denen sich die Wohnuugeu der Kosaken verlieren, und die dem Reisenden jede Umsicht verwehren, denn der Kopf der Windhexe wächst bis zu einem Umfange von 4 Meter und zu einer Höhe von I Meter an; Wermut und Königskerze bilden mannshohe Gebüsche, die Scharfgarbe wird 1,25 bis 2 Meter hoch, der Stamm des wilden Klee verholzt, daß er als Spazierstock kann gebraucht werden; Wolfsmilch, Kohlrüben, Pastinaken gedeihen so mächtig, daß man sie nur vom Pferde oder Wagen herab übersehen kann, und da sie lose und locker nebeneinander wachsen, bilden sie unwegsames Gestrüpp. Zwischen diesen Kräuterwäldern breiten sich unabsehbare Strecken kurzer Grasweide aus; dort wächst das breite Schweins- oder Bären- öhrchen mit den dicken von sammetartigem Filz überzogenen Blättern, welche von den Steppenbewohnern als Charpie benutzt werden, hier wachsen zwischen Ringel- und Mohnblumen gelber Hederich, süße Honigblumen und duftiger Balsam, riechender Knoblauch und Sellerie, weißer Kümmel und gewürzhafte Salbei, rote Immortellen und Quendel, Krauseminze und Lavendel, Wicken und Steinklee, so daß die Steppe mit ihren massenweise bei einander stehenden Blumen einerlei Art in den Farben eines unabsehbar breiten Regenbogens schimmert. Nun verläßt der in Schafpelz gekleidete Steppenbewohner seine Winter- Wohnung, die er halb in die Erde grub, freut sich des mattblauen Himmels, an welchem Gewitter blitzen und donnern, die aber nur selten Regen geben, labt sich an der Blüte des Schlehdorns, der in klafter- hohen Hecken neben feiner Hütte zu stehen pflegt und seinem Hausge-
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