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1. Bilder aus Europa mit Ausschluss des Deutschen Reiches - S. 72

1890 - Gotha : Behrend
72 Bilder aus Ost-Europa. lebhaft ist's im Schilfwalde geworden, wo mit Schilf ein großer Handel getrieben wird, weil es als Hausdach und Hauswand dient, als Gartenzaun und Brennmaterial benutzt wird. Ganze Regimenter sendet die Krone zum Schilfschneiden, ganze Städte und Dörfer wandern aus; da werden Wege durch Sumpf und Fluß mittelst der Schilfbündel gebaut, da rauscht es von Sensenhieben, vom Jubel der Arbeiter, da schwirrt es von aufgescheuchten Enten, Gänsen und Pelikanen, da giebt es mit- unter ein Wolftreiben oder einen Jagdfang, bis nach wenigen Wochen der Erntejubel auf der Steppe und am Fluß verstummt, die Menschen verschwinden, um den Herden wie dem Wild freien Raum zu gewähren. Schweigend liegt die Steppe in der Sonnenglut; aus den Regen- schluchten steigt ein glühendheißer Luftstrom, weite Risse klaffen auf am steinharten Boden, das Gras verdorrt, Teiche und Brunnen verdunsten, das Vieh magert ab und erträgt mit Ungeduld Hitze und Durst in schattenloser Steppe. Unaufhaltsam trabt die sonst so langsame Herde dem Tränkplatz zu und tritt regelmäßige geradlinige Pfade aus; am Brunnen des Dorfes steht sogar eine Schutzwache. Schwarzer Staub steigt bei jedem Schritte empor und mehrt die Qualen der Hitze; das Gras zerfällt mürbe in Asche, die Luftspiegelung zeigt ihre trügerischen Wasser- und Baumlandschaften, träge liegen die Herden den Tag über in der Sonne, verlieren den Appetit und die Lebenslust. Erst mit Ansang des Septembers kühlt sich die Luft ab, Nachttau und mit- uuter ein Regen erquicken die Pflanzen, die von neuem grünen, die Herden werden mnnterer, der Übermut der Steppenwildheit erwacht wieder in ihnen, und bald tönt die Steppe wieder vom Hufschlag flüchtiger Roßherden, vom Brüllen und Blöken der Rinder und Merinos, vom Kläffen der Hunde, vom langgezogenen eintönigen Zuruf der Hirten, mit welchem sie sich und die Herde leiten, von Vogelgeschrei, Tierkämpfen und Jagdlärm der Kosaken. Doch die Tage werden kürzer, die kalten Nächte länger, und das sreie Steppenleben geht zur Neige. Langsam treibt der Roßhirt seine schwer zu bändigende Herde nach der Dreschtenne oder dem Roßmarkt, der Rinder- und Schafhirt die seinige nach dem Schlachthause. Sieh, dort der Dreschplatz von Leinen, Pfählen und Planken eingefaßt, sein Boden mit tausend Garben bedeckt. Der Hirt hält die Herde beisammen, die scheuen Tiere drängen und stoßen einander, steigen empor, kreischen und schlagen aufeinander. Aber alle Gegenwehr ist vergeblich, die Hälfte der Herde muß in die Tenne. Wild stürzt sie hinein, daß die Garben hoch auffliegen, und die ausgetretenen Körner knisternd umher- fliegen. Dadurch werden die Tiere noch scheuer, springen in tollen Sätzen die Tenne auf und nieder, indem sie einen Ausweg suchen, bis sie von Schweiß triefend herausgelassen werden, und die andere Hälfte der Herde die Arbeit des Austretens vollenden muß. Ähnlich ergeht es den Rosien auf dem Markte, in dessen Umzäunung sie sich drängen und tummeln, während der Hirt mit der Schlinge dieses und jenes sängt, es durch einen Ruck zu Boden wirft und dem Käufer überliefert, der es zähmt. Viel eruster wird der Herbstschluß für die fetten Rinder
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