1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Bilder aus Ost-Europa.
Auf den Äckern gebraucht man dazu großartige Mordinstrumente, ins-
besondere Walzen und Dornschleifen. Die Walzen, wenn es nicht sehr
schwere steinerne sind, sind von geringer Wirkung. Die Dornschleifen
aber richtet man so ein: Man bindet an einen 3 m langen Baum-
stamm so viele und große Dornbüsche, als daran sitzen mögen, beschwert
dann den langen Schweif mit Steinen und Balken, spannt zwei Pferde
vor, und dann geht's über den Acker hin und her. Die Heuschrecken
werden dabei nicht nur gedrückt, wie beim Walzen, sondern auch gerollt
und geschleift und um so sicherer umgebracht. Natürlich ist bei diesem
Verfahren nicht mehr daran zu denken, die Frucht zu retten. Allein
man sorgt doch für den Nachbar und fürs nächste Jahr, da die Heu-
schrecken sich dadurch mindern und am Eierlegen gehindert werden.
Die Heuschrecken wissen, daß sich in den Gürten der Dörfer vieles
findet, was ihnen besonders mundet. Sie erkennen dieselben von weitem
und lassen sich daher bei den Dörfern vorzugsweise nieder. Man kann
sich denken, in welchen Schrecken und in welche Beängstigung ein solch
armes, von einem Henschreckenschwarm überfalleues Dorf gerät. Alles
wie bei einem Schneeflockengestöber von gierigen kleinen Ungetümen um-
hüllt und umschwärmt! Himmel und Erde verschwinden! Die Dächer,
die Mauern, der Boden sind mit krabbelnden Geschöpfen bedeckt, und
die Luft ist unermeßbar tief damit erfüllt! Alles rauscht, klappert, zischt
und schnurrt! Man muß alle Thore und Öffnungen verschließen und
verstopfen; denn sie fallen in Massen in die Schornsteine hinein und
schlagen wie Hagel an die Thüren und Feuster. Mehrere Male strömte
ein solches Heuschreckenheer in die Stadt Odessa herein und bedeckte
Dächer, Straßen und öffentliche Plätze. Da fiel es zappelnd und
Zuckend in die Töpfe der Küchen, lebendig und zischelnd auf die Korn-
böden und Hausräume und flatterte in Ungetümen Gestalten und schreck-
haften Figuren in die eleganten Zimmer der Reichen.
Ist nun ein Heuschreckeuschwarm so in das Dorf selbst und seine
Gürten eingedrungen, so löst sich die ganze Verbindung der Treiber auf,
und jeder eilt mit seinen Kindern und Knechten in seine Wein- und
Gemüsegärten, das Eigene zu retten, jagt und scheucht, soviel er kann,
— die Kinder führen diesen kleinen Krieg am besten, — und unterhält
kleine Feuer um die Beete, Bäume und Pflanzen herum, die man vor-
zugsweise gerne schützen möchte. Vieles wird verjagt oder getötet, das
meiste aber bleibt, wütet und frißt.
Es giebt in den südrussischen Steppen hauptsächlich zwei Arten
von Wanderheuschrecken, eine kleine 4 cm lange und eine große von
51/2 cm Länge. — Die Speisen der Heuschrecken bilden alle grünen
Blätter, welche auf der Flur oder in den Gärten wachsen, und ebenso
.alle grünen, weichen Zweige, die nicht allzu holzig sind, das Gras der
Steppe, die Blätter der Bäume, selbst die oberen Enden der weichen
Wurzeln. Ihre Freßgier verschont gar nichts, macht die Schilfrohre
und Maisstämme zu Stumpfen und die grünenden Sommerbäume zu
Winterbanm-Gerippen.