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1. Bilder aus Europa mit Ausschluss des Deutschen Reiches - S. 84

1890 - Gotha : Behrend
84 Bilder aus Ost-Europa, Leben. Wenn man in der über 2 km langen Hauptstraße, die zu dem großen Bazare führt, all die bunten Trachten an sich vorüberziehen sieht, am Abende von den flachen Dächern der Häuser herab den ein- förmigen Gesang der Tatarenfrauen und die lärmende Musik der Cymbeln und Pauken vernimmt, da glaubt man sich unwillkürlich in jene Tage zurückversetzt, in denen hier noch alle Pracht eines mächtigen Fürstenhofes entfaltet war. In dem Bazare ist zwar jetzt kein solcher Reichtum vorhanden, wie zur Zeit der Chane, aber reichhaltig ist der- selbe immer noch. Neben lebenden und geschlachteten Schafen trifft man da Tschibuks und andere Pfeifen, Kleidungsstücke aller Art, wie Filzmäntel, Shawls, gestickte Jacken, Pantoffeln, Schuhe u. f. w., Tuch und Seidenstoffe aus russischen und asiatischen Fabriken, Teppiche, Decken und allerhand Hausgerät, und dazwischen in den Buden der Lebensmittelverkäufer alles, was der Boden der Krim hervorbringt. Der Hauptreiz für den Fremden ist aber das am Ende der Bazarstraße gelegene Schloß der Chane, das einzige große Denkmal maurischer Baukunst im europäischen Rußland. Da ist alles vereint, was asiatische Weichlichkeit und Sinnenlust zur Ausschmückung von Wohnräumen zu erdenken vermag. Gold, Silber, Perlmutter und blendende Farben, überwiegend Weiß, Not und Blau, bedecken die Wände, überall sieht man herrliche Stukkaturarbeiten und kunstvolles Schnitzwerk, Springbrunnen plätschern an lauschigen Stellen im Garten und in den Gemächern, deren morgenländische Ausschmückung meist noch unverändert erhalten ist, und in denen die bunten Scherben der seltsam geformten Fenster das eindringende Tageslicht dämpfen. Fast der ganze Palast ist so wohl erhalten, daß die Einbildung nur die jetzt öden Säle und Gemächer mit dem Hofstaate der Chane zu beleben braucht, um ein getreues Bild des Palastes zur Zeit seines höchsten Glanzes vor unsere Blicke zu zaubern. Bachtschiserai, die ehemalige Hauptstadt des Tatarenreiches, ist auch heute noch die bedeutendste Stadt der Tataren. In früheren Jahrhunderten bildeten diese, über 300000 an Zahl, die hauptsächlichste Bevölkerung der Krim. Ihre Zahl hat sich aber sehr vermindert. Schon nach Unterwerfung der Halbinsel durch die Russen wauderte der größere Teil dieses Volkes, um der christlichen Oberherrschaft sich zu entziehen, nach der Türkei und nach Asien aus. Ganze Dörfer wurden mit einem Male menschenleer, und von allen Häfen aus führten Schiffe die Auswanderer in die Fremde. Im Hafen von Eupatoria schifften sich im Jahre 1860 über 80000 Männer, Frauen und Kinder mit großen Herden von Vieh ein. Darum gab es im Jahre 1861 nur noch ein Viertel der ehemaligen tatarischen Bevölkerung. Und diese Auswanderung ist noch nicht zum Stillstande gekommen. Den Vor- ausgegangenen folgten andere nach, als die russische Regierung die all- gemeine Wehrpflicht einführte. Dennoch find die Tataren in dem bunten Völkergemische der Krim noch der stärkste Volksstamm. Ihrer Beschäftigung nach sind sie meist Ackerbauer und Viehzüchter; die in den Städten wohnenden treiben meist ein Handwerk, wogegen der
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