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1. Bilder aus Europa mit Ausschluss des Deutschen Reiches - S. 101

1890 - Gotha : Behrend
Die heutigen Türken und Griechen. 101 Beamtentum treten, sind gezwungen, französisch zu lernen. Doch giebt es manchen gewesenen Großvezier, der nur türkisch spricht. Selbst in den größeren Städten zeigt sich diese Abneigung gegen fremde Sprachen, und in Smyrna, einer Stadt von 209,000 Einwohnern, von denen 25,000 Türken sind, sind nur wenige zu finden, die griechisch sprechen. Nur in Kreta und Thessalien ist das anders. Wenn man eine Volkscharakteristik macht, so muß man die großen Massen dauernd beobachten, auf Eindrücke von einzelnen, die einem hier und da begegnen, darf man sein Urteil nicht basieren — dies wird nach der Verschiedenheit der Individualität verschieden ausfallen. Ein ganzes Volk mit einigen Zügen zu charakterisieren, wird immer schwer sein; man wird niemals mit andern Beobachtern genau übereinstimmen, am wenigsten im Orient, wo die Kontraste so nahe einander berühren. Im allgemeinen kann man aber sagen, daß der Türke, solange er nicht Beamter, sondern einfacher Bürger, Bauer oder Handwerker ist, und nicht zuviel mit Christen in Berührung gekommen ist, im Ver- gleich mit andern Nationen, zumal mit Griechen und Armeniern, von Natur aus als erste Eigenschaft Ehrlichkeit und Geradheit besitzt. Diese Eigenschaft wild und kann niemand bestreiten. Aber eins geht ihm ganz ab: die Schlauheit, obschon er wohl viel gesunden Menschenverstand und ein richtiges Urteil besitzt. Die Türken taugen zu Geldgeschäften gar nicht, sie sind deshalb auch meistens sehr arm. Ihre Hauptbeschäftigung ist Ackerbau und Viehzucht. Die Gewerbe, die sie früher betrieben, sind zum größten Teil in die Hände der Europäer übergegangen. Nur die Teppichfabrikation ist ihnen noch geblieben, aber auch daran wird schon in Europa gefälscht. Die Tuchfabrikation haben längst Deutsche und Engländer, die Seidenwirkerei die Schweizer ihnen abgenommen. Wenn eine Dame einen echten Smyrnaer Kefte oder Bashlik zu besitzen glaupt, so kann sie gewiß sein, er war von der Schweiz eingeführt, wie ebenso alle Arten von baumwollenen Tüchern. Mit den europäischen Maschinen können die armen Türken eben nicht konkurrieren. Was ihnen noch geblieben ist, ist Sattlerei, die Kupfer- und Eisenschmiederei, Kistenmachen, von andern Handwerken kaum etwas mehr als Verfertigung von Holzschuhen und rohen Stiefeln; nun hat sich aber auch das Schmieden auf das Beschlagen der Pferde und Maulesel reduciert. Dazu kommt, daß die Türken keine Schiffer sind, und zur See beständig Unglück haben, dagegen mit den Karawanen, den Kamelen zu ziehen, das ist ihr Fach. Da sitzt der Türke kauernd auf seinem Esel, ^ an den die Kamele, eins hinter dem andern angebunden sind, und läßt Sonne oder Regen gleichmütig auf sich herabwirken. Von Natur wenig dazu geeignet, sich nützlich zu machen, sorgt er für morgen nicht, wenn er nur heute zu essen hat, daher kommt es, daß die Türken nach und nach überall verarmen. Freilich kann man nicht geradezu sagen, daß sie träge seien, denn sind sie erst bei der Arbeit, dann arbeiten sie unverdrossen weiter; aber irgend etwas aus sreiem Antrieb beginnen, etwas unternehmen, das geht gegen ihre Natur.
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