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1. Bilder aus Europa mit Ausschluss des Deutschen Reiches - S. 102

1890 - Gotha : Behrend
102 Bilder aus Süd-Europa. Nun kommt dazu ein großes Hindernis, nämlich die Religion. Der Türke ist von Natur und Gemüt sehr religiös und beachtet die Satzungen der Religion mit großer Gewissenhaftigkeit, und von diesen Satzungen ist es eine, die den Verfall des Volkes in erster Linie herbei- führt, nämlich die strenge Absonderung der Frauen. Da es nach dem Gesetz verboten ist, daß ein Türke die Frau eines andern Türken näher ansehe, so geht sie verschleiert, sieht und spricht von männlichen Personen nur ihre nächsten Verwandten, existiert gleichsam für die übrige Welt nicht. Daher kommt es, daß die eine Hälfte des Hauses, der Harem, ganz der Frau, den weiblichen Dienstboten und den Kindern gehört, damit sie kein Männerbesuch störe; in kleinen Häusern wird natürlich der größere Teil der Familie eingeräumt und oft besitzt der Mann kaum ein Empfangszimmer. Besteht das Haus aber nur aus einem einzigen Räume, wie sast überall auf dem Lande, so wird das ganze Haus Harem. In kleinen, meist von Türken bewohnten Städten kann man durch Straßen gehen, wo rechts und links nichts als hohe Mauern zu sehen sind, durch kleine Thüren schaut man nach dem Hofe, in dessen Tiefe das Häuschen steht; die Straßen sind tot, kein Verkehr, kein Handel. Die Frauen können den Männern nicht helfen, können nicht mit thütig sein in deren Geschäften, höchstens auf dem Acker; und das ist eine große Landeskalamität. Natürlich ist, daß die Frauen auch zurück- bleiben in Bildung; sie lernen nichts, sind auch nicht imstande, ihre Kinder zu erziehen. Die Türkenschulen, wenn es welche giebt, sind bodenlos schlecht. Wenige Türken bringen es zum Lesen und Schreiben der türkischen Sprache, woran auch die unseligen, für die türkische Sprache so wenig geeigneten Lettern fchuld sind, aber die sind nun einmal heilig, weil der Koran in ihnen geschrieben ist, und so ist auch dies wiederum eine Folge der traurigen religiösen Einrichtungen Aber nun kommt das Schlimmste. Die Türken sind die einzigen, die dem Sultan Soldaten stellen müssen, und zwar müssen sie 7—8 Jahre bei der Fahne bleiben; die anderen Nationen brauchen es nicht zu sein, und auch die Türken können sich mit 400 Thalern loskaufen; aber 400 Thaler haben nur sehr wenige. Ehe sie zum Militär gehen, sind sie meistens verheiratet, denn sie werden mit 21—22 Jahren aus- gehoben, heiraten aber mit 18 Jahren. Einen Brief erhalten die Frauen nie, der Mann kann nicht schreiben, die Frau nicht lesen, jahrelang erfährt sie nicht, wo ihr Mann ist. Seit dem letzten Kriege ganz besonders hat sich der muhamedanischen Bevölkerung eine° dumpfe Verzweiflung bemächtigt, der Erregung ist die tiefste Apathie gefolgt, kein vernünftiger Türke glaubt mehr an den Bestand der Herrschaft, die Erpressung der Behörden und die Rechtlosig- keit haben ihren Höhepunkt erreicht, und die darunter am meisten leiden, sind die armen Türken, denn die andern sind meist schlau genug zur rechtzeitigen Abwehr, wozu oft der Türke zu stolz ist. Das bringt mich auf eine andere verderbliche Eigenschaft im türkischen National-Charakter.
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