1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Die heutigen Türken und Griechen.
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Es ist ein gewisser chevaleresker Stolz, der sich nie Armut dünken laßt.
Die türkischen Großgrundbesitzer, der alte Fendal-Adel oder, wie
er noch heute heißt, die Dere-Beys, haben einen Troß von Leuteu
an sich hängen, die ihnen stets das bar einlaufende Geld, mit dem sie
schon ohnehin nicht umzugehen wissen, auf jede Weise klein machen.
Bei jeder Gelegenheit, bei Beschneidungen, Hochzeiten oder sonstigen seier-
wichen Vorkommnissen, hält sich nun der Dere-Bey, der immer den
Mauz seines Hauses hochhält, ihn oft in seiner Jugend noch gekannt,
.zur Repräsentation verpflichtet. Da giebt es denn 3—4 Tage öffentliche
Feste und Gelage, Ringkämpfe, Rennen, Seiltänzer, Musik u. dgl.
Das Geld dazu wird vom Griechen oder Armenier geliehen zu
24—36 Procent. Zum Rückzahlen kommt es nie, und so wird nach
und nach das Gut verkauft, natürlich in christliche Hände, denn wo
hätte ein Türke, wenn er nicht in hohem Staatsdienst ist, Geld zum
-Kaufen?
2.
Der Halbmond sinkt, das griechische Kreuz steigt!
Leider läßt sich über den Charakter der Neugriechen und ihre
Befähigung für Kulturaufgaben auch kein günstiges Urteil fällen.
Obgleich der Grieche lebendig, gewandt und mit vielen Anlagen
ausgestattet ist, ist er doch listig, falsch und lügnerisch. Dem äugen-
blicklichen Vorteile alles aufopfernd, denkt er nicht an die Zukunft; fein
aufloderndes Feuer schlägt jeder Unglücksfall nieder, und im Glücke
ist er aufgebläht und hochmütig; er ist wankelmütig, zänkisch und Hab-
gierig, dabei in so hohem Grade eitel und aufgeblasen auf die Berühmt-
heit seiner Vorfahren, daß es gar oft ins Lächerlichste fällt. Hierzu
gesellen sich noch die Laster des Verrats, der Undankbarkeit und der
Grausamkeit
Seit der Anwesenheit der Deutschen und sonstigen Fremden sind
die Frauen, namentlich in den Städten, bei weitem nicht mehr so
schüchtern und zurückgezogen wie ehemals; nur die der geringeren
Klasse beobachten immer noch die alte Sitte, sich in ihre Wohnungen
einzusperren. Die Nationaltracht der Frauen ist in allen Provinzen
und auf allen Inseln verschieden.
Was die Männer betrifft, so stndet man unter ihnen, wenn auch
nicht immer schöne, doch selten unangenehme, oft aber edle Gestalten.
Sie tragen den Kopf hoch, den Körper gerade, mehr nach hinten als
nach vorne übergebeugt. Ihre Haltung ist frei, ihr Betragen gewandt
und ihr Gang leicht. Ihre Tracht ist schön und erinnert lebhaft an
jene des Altertums; bei ihrer Schönheit ist sie gewöhnlich so reich
und so sehr mit Gold- und Silberstickereien überladen, daß nicht
selten eine einzige Kleidung eines vornehmen Griechen auf mehrere
tausend Drachmen kommt. Bei aller Pracht der Kleidung sind doch
die Griechen im allgemeinen, besonders aber in den niederen Ständen,
sehr unreinlich, wodurch sehr vieles Ungeziefer erzeugt wird. Ein ge-
meiner Grieche ohne Ungeziefer ist eine ebenso große Seltenheit als ein
Grieche ohne Eigennutz und Falsch.