1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Florenz.
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6. Florenz
Florenz, mit dem Zunamen „la bella", früher die Hauptstadt
des Großherzogtums Toskana und von 1865 bis 1871 die Hauptstadt
des Königreichs Italien, liegt in fruchtbarer, von anmutigen Hügeln
und sanftwelligen Bergen umkräuzter Niederung des Arno. Wenn
auch ihre Eigentümlichkeit weniger in die Augen springt, als die ihrer
Schwesterstädte Venedig, Bologna und Genua, so verdient sie doch,
unter der Beleuchtung der Geschichte und Kunst durchwandert, Rom
an die Seite gestellt zu werden. Denn Florenz hat nicht bloß eine
der bedeutsamsten Staatsgeschichten aufzuweisen: es war, wie Rom im
Altertume, so im Mittelalter und über dieses hinaus der Brennpunkt
der geistigen Entwickelung Italiens. Die italienische Sprache sand hier
ihre Läuterung, und neben Handel und Industrie blühte hier unter
dem Schutze der Mediceer, namentlich Cosmo des Älteren und Lorenzo
des Prachtliebenden, Wissenschaft und Kunst, und außer den Werken,
mit denen heimische Meister die schöne Arnostadt schmückten, war man
zugleich eifrig daranf bedacht, hervorragende Schöpfungen anderer
Künstler herbeizuschaffen und in Kirchen, Museen und Palästen anzu-
sammeln. So kommt es, daß Florenz eine Fülle von Kuustschätzen
aufzuweisen hat, wie kaum eine Stadt der Welt, und diese sind es,
welche neben der Anmut der Lage die Stadt zu einem Lieblingsziel
der Reisenden macht.
Der von breiten Quais eingefaßte Arno, über den fünf steinerne
Brücken ihre Bogen spannen, zerschneidet die Stadt in zwei ungleiche
Teile, von denen der nördliche, die alte Stadt genannt, auf dem rechten
Ufer sich eben ausbreitet. Die bei weitem kleinere Hälfte der neuen
Stadt zieht sich die Höhen des südlichen Ufers hinan, die mit einer
Menge schöner Landhäuser und Gartenanlagen geschmückt sind. Eine
große Ringmauer von etwa 13 km Länge umschließt das Stadtgebiet,
zahlreiche Thore von autiker Bauart vermitteln den Zugang, und zwei
Citadellen im Norden und Süden verteidigen die Stadt. Zu dem
schönen reinlichen Plattenpflaster derselben hat der nahe Apennin in
dem „Pietra forte" genannten Kalkstein ein treffliches, festes Material
geliefert. Die Häuser sind meist aus einem feinkörnigen, durch Kalk
gebundenen Sandstein aus den Brüchen von Fiefole erbaut, und der
bräunliche Ton dieses Baumaterials erhöht den düsteren Eindruck, den
namentlich einige enge, von hohen Häusern eingefaßte Gassen der Alt-
stadt machen. Daneben fehlt es in den neuhinzugekommenen Stadt-
teilen nicht an schönen, breiten Straßen, und z. B. der Lungarno
längs der beiden Arnoufer, in feinen einzelnen Teilen meist nach den
anstoßenden Palästen berühmter Familien benannt, ist eine prächtige,
von großartigen Häusern umrahmte Straße.
Werfen wir nun einen Blick auf einige der fchönsten Bauwerke
der Stadt, einige ihrer Kirchen und Paläste, in Hinsicht auf deren
Zahl Florenz nur Rom nachsteht.
Unter den Kirchen ist der Dom, ziemlich in der Mitte der nörd-