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1. Bilder aus Europa mit Ausschluss des Deutschen Reiches - S. 183

1890 - Gotha : Behrend
Neapel. 183 niemals unterbrochen wird, es bald so weit bringen, daß sie ihr Gewerbe ansehnlich erweitern. Ich würde zu weit aus meinem Wege gehen, wenn ich hier von der mannigfaltigen Kramerei sprechen wollte, welche man mit Vergnügen in Neapel, wie in jedem andern großen Orte bemerkt; allein ich muß doch hier vou den Herumträgern sprechen, weil sie der letzteren Klasse des Volks besonders angehören. Einige gehen herum mit Fäßchen Eis- Wasser und Citronen, um überall gleich Limonade machen zu können, einen Trank, den anch der Geringste nicht zu entbehren vermag; andere mit Kredenztellern, auf welchen Flaschen mit verschiedenen Liqneuren und Spitzgläser in hölzernen Ringen vor dem Fallen gesichert stehen; andere tragen Körbe allerlei Backwerks, Näscherei, Citronen und anderes Obst umher, und es scheint, als wolle jeder das große Fest des Genusses, das in Neapel alle Tage gefeiert wird, mit genießen und vermehren. Wie diese Art Herumträger geschäftig sind, so giebt es noch eine Menge kleiner Krämer, welche gleichfalls herumgehen und ohne viele Umstände auf einem Brett, in einem Schachteldeckel ihre Kleinigkeiten, oder auf Plätzen geradezu auf flacher Erde ihren Kram ansbieten. Da ist nicht von einzelnen Waren die Rede, die man auch in größeren Läden fände, es ist der eigentliche Trödelkram. Kein Stückchen Eisen, Leder, Tuch, Leinewand, Filz n. s. w., das nicht wieder als Trödelware zu Markte käme, und das nicht wieder von einem oder dem andern ge- kauft würde. Noch sind viele Menschen der niedern Klasse bei Handels- lenten und Handwerkern als Beiläufer und Handlanger beschäftigt. Es ist wahr, man thnt nur wenig Schritte, ohne einen sehr übel- gekleideten, ja sogar einem zerlumpten Menschen zu begegnen, aber dieser ist deswegen noch kein Fanlenzer, kein Tagedieb! Ja, ich möchte fast das Paradoxon aufstellen, daß zu Neapel verhältnismäßig vielleicht noch die meiste Industrie in der ganzen niedern Klasse zu finden sei. Frei- lich dürfen wir sie nicht mit einer nordischen Industrie vergleichen, die nicht allein für Tag und Stunde, fondern am guten und heitern Tage für den bösen und trüben, im Sommer für den Winter zu sorgen hat. Dadnrch, daß der Nordläuder zur Vorsorge, zur Einrichtung von der Natur gezwungen wird, daß die Hausfrau einsalzen und räuchern muß, um die Küche das ganze Jahr zu versorgen, daß der Mann den Holz- und Fruchtvorrat, das Futter für das Vieh nicht aus der Acht lassen darf n. s. w.; dadurch werden die schönsten Tage und Stunden dem Ge- miß entzogen und der Arbeit gewidmet. Mehrere Monate lang entfernt man sich gern aus der freien Luft und verwahrt sich in Häusern vor Sturm, Regen, Schnee und Kälte; unaufhaltsam folgeu die Jahreszeiten aufeinander, und jeder, der nicht zu Grunde gehen will, muß ein Hanshälter werden. Denn es ist hier gar nicht die Frage, ob er ent- behren wolle; er darf nicht entbehren wollen, er kann nicht entbehren wollen, denn er kann nicht entbehren; die Natur zwingt ihn, zu schaffen, vorzuarbeiten. Gewiß haben die Naturwirkungen, welche sich Jahr- tausende gleichbleiben, den Charakter der in so manchem Betracht ehr- würdigen nordischen Nationen bestimmt. Dagegen beurteilen wir die
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