1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Das mittelländische Meer.
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Hier, lieber Leser, lege ich die Feder hin; ich kann nicht weiter
beschreiben; ich kann nur hinsinken und anbeten, und ich bin überzeugt,
auch du würdest, wärest du ein Augenzeuge dieses unbeschreiblich großen
und rührenden Auftritts gewesen, bei der bloßen Erinnerung daran
dein Antlitz verhüllen und in Thränen der Freude, des Entzückens und
der Anbetung zerfließen.
Alles schien nns ein Zauber zu sein, und wir konnten uns kaum
überzeugeu, daß wir noch auf Erden wären. Unsere an so erhabene
Gegenstände nicht gewöhnten Sinne waren betäubt und verwirrt; erst
nach einiger Zeit fanden wir uns vermögend, sie von einander zu
unterscheiden und sie einzeln zu betrachten. Zwischen uns und der
Sonne, die aus dem Meere zu steigen schien, lagen unermeßliche
Flüchen von See und Land; die liparischen, panarischen, alikudischeu
Inseln und Strombolo und Volcano lagen mit ihren rauchenden
Gipfeln unter unfern Füßen; auf ganz Sizilien sahen wir wie auf
eine Landkarte hinab, und wir konnten jeden Fluß in allen seinen
Krümmungen, von seiner Quelle an bis zur Mündung verfolgen.
Die Aussicht war auf allen Seiten schlechterdings unbegrenzt; kein
einziger Gegenstand im ganzen Gesichtskreise, der sie unterbrechen
konnte; das Auge verlor sich allenthalben im Unermeßlichen, und ich
bin versichert, nur die Unvollkommenheit unserer Sehkraft war schuld
daran, daß wir die Küsten von Afrika, ja sogar die von Griechen-
land, nicht entdeckten. Denn beide mußten jetzt notwendig über unserm
Gesichtskreise liegen.
Der schönste Teil des Schauplatzes ist unstreitig der Berg selbst
und die Insel Sizilien samt der dazu gehörigen Menge kleinerer Inseln.
Alle diese Inseln schienen durch eine Art Zaubertäuschung ganz hart
vm Fuße des Ätna zu liegen und ihn gleichsam einzufassen, so daß
ihre Entfernung nicht zu bemerken war.
Goethe und Campe.
14. Das mittelländische Meer.
Dieses enge Becken, an dessen Rande ägyptische, phönizische und
griechische Völker zu einem hohen Glänze der Kultur erblühten, ist der
Ausgangspunkt der wichtigsten Weltbegebenheiten, der Kolonisierung
großer Länderstrecken von Afrika und Asien, der nautischen Unter-
nehmungen gewesen, durch welche eine ganze westliche Erdhälfte ent-
hüllt worden ist.
Das Mittelmeer dringt tiefer in das Land als irgend ein anderer
Busen des atlantischen Oceans. Seine Wogen branden an drei Erd-
teile; sie bespülen den Fuß der Alpeu, des Hümus, der Pyrenäen, des
Atlas, des Kaukasus und die Gestade der pontischen Steppen. Es
flutet als Grenzscheide zwischen zwei in jeder Beziehung unähnlichen
Erdteilen, Europa und Afrika, und im Osten erhebt sich das asiatische
Festland als seine Schranke. Ganz richtig wurde es schon von Geo-
graphen des Altertums als ein „vielgestaltetes" bezeichnet. Seine
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