1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Bilder aus Süd-Europa.
dings macht sie da und dort rasche, schmale und tiefe Biegungen und
es scheint nicht, als od eine so seltsame Begrenzung eine Folge all-
mählichen Eingriffes und Vordringens oder Rncfweichens sei. Hier
fehlt auch eiue Zwischen- oder Übergangszone, wie sie ans der spanischen
Seite sich nachweisen läßt. Die Scheidelinie ist schroff; die Namen der
Dörfer und Weiler auf der Grenze sind entweder rein baskisch oder
rein bearnisch. und es giebt nur einige wenige Ausnahmen von dieser
Regel; Broca kennt nur drei Dörfer im obern Teile des Thales von
Manlson: Tnrdets, Moutory und Licq. In diesen drei Dörfern,
welche nur wenige Kilometer von einander entfernt liegen, besteht ein
Teil der Einwohner aus Bearuern, und diese reden das bearnische
Patois neben dem baskischen. So ist es schou seit langer Zeit, und
man sieht, daß unter dieser geteilten Bevölkerung das Bearnische keine
Fortschritte macht.
Da nun eine Übergangszone fehlt, so kann man mit Bestimmtheit
annehmen, daß die Greuze zwischeu dem Baskischeu und dem
Bearnischen seit lange stationär ist, und seit Menschengedenken kennt
man auch keinen Ort, wo die eine Sprache an die Stelle der andern
getreten wäre.
Wie aber kommt es, daß hier kein Sprachgemisch stattgefunden
hat? Die Kämpfe und Streitigkeiten, welche früher eine Scheidewand
zwischen beiden Volkstümlichkeiten zogen, haben schon seit langer Zeit
aufgehört. Beide uuterhalteu gute Nachbarschaft und verkehren nnab-
lässig mit einander, gehören demselben Staatswesen an, und doch sind
sie heute wie im Mittelalter durch die Sprache getrennt; beide Idiome
halten streng die Scheidelinie fest, ihre Grenze bleibt unverrückt, wäh-
rend auf der spanischen Seite das Baskische zurückweicht.
Beides erklärt sich leicht. In Spanien erfährt das Baskische den
unmittelbaren Druck der sehr ausgebildeten castilianischen Amtssprache,
— in Frankreich nicht; hier ist das Idiom, mit welchem es in Be-
rührnng kommt, weder Amts- noch Litteratursprache, sondern ein altes
Patois ohne Expansivkraft, das allmählich dem Erlöschen entgegengeht.
Es liegt also kein Grund vor, daß hier das eine Idiom das andere
verdränge; beide bleiben gleich stationär, sind gleich schwach und werden
durch das Französische bedroht, welches sie im Fortgange der Zeit
absorbieren wird. Das Frauzösische ist die Sprache, welche der Baske
zu erlernen hat, das liegt in seinem Interesse; wer eine Schule be-
sucht, wird in derselben unterrichtet; wer auf einige Bildung Anspruch
macht, versteht oder redet sie mehr oder weniger gelänsig. Jede Stadt,
jeder Flecken ist und wird ein Mittelpunkt für ihre Verbreitung, und
es wird gewiß die Zeit kommen, wo man Baskisch nur in abgelegenen
Weilern und schwer zugänglichen Thälern zu höreu bekommt. Und
anch dort wird es verschwinden, allmählich in Abgang kommen: hier
rascher, dort langsamer; aber verschwinden wird es unter den gleichen
Einwirkungen von außen her. Vielleicht geht das bearnische Patois
noch früher zu Ende als das baskische, und dann wird das Französische
unmittelbar ans das Baskische drücken, dasselbe allmählich gegen Süden