1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Sevilla.
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breite Strom, von Alleen und Fruchtgärten beschattet, sich in sanften
Schlangenwindungen dahinzieht. Das Bild des Flusses mit seinen
Umgebungen mag durch die nichtssagende Miene der übrigen Landschaft
sehr gehoben werden, aber es ist auch an sich anziehend und malerisch.
Der Blick auf Sevilla selbst ist von der Giralda aus nicht ganz be-
sriedigend, weil dieser Turm fast am äußersten Ende der sehr umfang-
reichen Stadt liegt. Mehrere der ansehnlichsten öffentlichen Gebäude
befinden sich indessen just zu den Füßen der Giralda, wie die Käthe-
drale, deren Plan man erst von dort oben herunter vollkommen begreift;
weiter links die berühmte Tabaksfabrik mit ihren endlosen Faoaden
und unzähligen Höfen, südwärts der Alcazar mit seinen hohen Mauer-
ziunen, seinen Festungstürmen und seineu herrlichen Gärten.
Sevilla ist das spanische Rom, wenn anch ein Rom im kleinen.
In keiner Stadt des Landes vereinigen sich wie hier die Denkmäler des
Altertums mit den Schätzen der Kunst und mit den Schönheiten der
Natur. Dazu kommt bei den Sevillanern eine feine Weltsitte, ein
heiterer, geselliger Geist, eine Anmut und Eleganz des Lebens, wie
man sie im gleichen Grade im ganzen übrigen Spanien nicht findet.
Die Reste des römischen Altertums sind sehr zahlreich in Sevilla
und dessen nächster Umgebung. Die Mauern der Stadt mit ihreu
spitz auslaufenden Zinnen und ihren unzähligen Türmen gelten wenigstens
zum Teil für Römerban. Auch der eigentümlich, aber keineswegs
geschmacklos geformte Turm am Guadcilquivir, dessen heutiger Name
„Goldturm" daher rühren soll, daß er Peter dem Grausameu zur
Schatzkammer gedient, wird ebenfalls den großen Baumeistern des
Altertums, den Römern, beigemessen; mit welchem Rechte, mag dahin-
gestellt bleiben. Unverkennbar und unzweifelhaft ist dagegen der römische
Ursprung einer Menge von Bildhanerwerken, die in und um Sevilla
aufgefunden find. Zu deu merkwürdigsten dieser Kunstwerke gehören
die sogenannten beiden Herkules, welche auf der nach ihnen benannten
Alameda beinahe im Mittelpunkte der Stadt aufgestellt sind. Die
beiden Bildsäulen, von denen nur die eine deu Herkules, die andere
aber einen Imperator darstellt, ruhen auf frei stehenden sehr alten
Säulen, deren jede bei einer Höhe von etwa 13 Meter aus einem
einzigen Granitblocke besteht.
Aus der Araberzeit hat Sevilla nur wenige, aber äußerst kostbare
Baudenkmale. Das merkwürdigste derselben ist ohne Zweifel der
Alcazar, ein Königspalast, von hohen Festungsmauern eingeschlossen, in
welchem Prunkgemächer, prächtige Säulenhöfe, Terrassen, Galeiien und
köstliche Gärten in labyrinthischer Folge mit einander wechseln.
Der Stil, in welchen: der Alcazar von Sevilla gebaut ist, stimmt
in seinem allgemeinen Charakter durchaus mit dem Stile der Alhambra
überein; in gewissen Einzelheiten machen sich indessen doch Verschieden-
heiten zwischen beiden bemerklich. So findet sich hier die Hufeisen-
form des arabifcheu Bogens fast niemals so ausgebildet, Wienaus der
Alhambra. Der Bogen des Alcazar ist vielmehr gewöhnlich ein bei-
nahe ganz reiner Kreisabschnitt, der ungefähr aus drei Vierteileu des
Meyer, Lesebuch der Erdkunde Ii. Il