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1. Bilder aus Europa mit Ausschluss des Deutschen Reiches - S. 255

1890 - Gotha : Behrend
Lissabon. 255 Feuer von einer Straße in die andere; acht Tage wütete die Flamme, und zwar in den vorzüglichsten und engsten Straßen der Stadt. Die Leute mußten halb entblößt auf die benachbarten Felder fliehen; Waren, Hausrat, Kleider, alles verbrannte. Das Verhängnis hatte alle gleich gemacht: Hofleute, Volk, Nonnen, Mönche, alle mußten sich ohne Unterschied bequemen, ans freiem Felde das Ungemach der Witterung zu leiden und nickt nur Kälte, sondern anch Hunger auszustehen. Auf diese Weise war eine große, blühende Stadt in wenig Stunden in einen Schutthaufen verwandelt. Unzählige reiche und wohlhabende Familien waren in Armut und Elend gestürzt, Kinder ihrer Eltern, Eltern ihrer Kinder beraubt, die innigsten Verhältnisse zerrissen, die süßesteu Hoffnungen vernichtet, die reizendsten Freuden in Jammer und Klage verwandelt. Anfangs glaubte man, das Feuer sei aus der Erde gekommeu, aber auf genaueres Nachfragen bestätigte sich das nicht: es war teils aus den Feuern der Häuser, teils von den großen brennenden Kerzen der Kirchen entstanden, teils auch vielleicht von Mordbrennern angelegt worden; sechzehn Tage, nachdem es ange- fangen hatte, war der Schutt noch so heiß, daß er die Körbe, worin man ihu trug, entzündete. Die königliche Familie mußte in der Nacht unter freiem Himmel auf dem Felde in Kutschen zubringen. Der spanische Gesandte wurde vou dem Sturze seines Hauses erschlagen, als er eben aus dem Thorwege wollte. Diejenigen, welche ihr Geld in eisernen Kasten gehabt, bekamen es unversehrt wieder; das übrige Geld war ganz schwarz, und bei jeder Zahlung, die man nach dem Erdbeben machte, wurde gewöhnlich bestimmt, ob sie in blankem oder schwarzem Gelde geleistet werden sollte. Die völlige Zerstörung der Stadt wurde lediglich den sehr engen Straßen beigelegt. Gleichzeitige Nachrichten können nicht Worte genug finden, um den fürchterlichen Anblick der Trümmer nach dem Feuer zu schildern. Beim Hinaufsehen erblickte man furchtbare Pyramiden ausgebrannter Häuserfronten, die sich bald hierhin, bald dorthin neigten. An unzähligen Orten wurde man durch tote Körper entsetzt, deren 6 bis 7 übereinander lagen und die halb in Schutt vergraben, halb verbrannt waren. Von allen öffent- lichen Gebäuden war nach dem Erdbeben nur noch die Münze und die Schatzkammer übrig. Die Erdstöße dauerten einige Zeit häusig sort, ob sie gleich verhältnismäßig von keiner Bedeutung waren. Ein an- haltender Regen verfolgte die Unglücklichen auch auf die Anhöhen, wohin sie sich vor der Wut des Erdbebens, der Flammen und der Fluten geflüchtet hatten; Nässe, Erkältung, Krankheit und Hunger brachten hier aller angewandten Sorgfalt ungeachtet unzähligen Menschen den Tod, die ein elendes Leben noch bis dahin gegen die Wut des Erdbebens geborgen hatten. Die Zahl der Umgekommenen belief sich auf dreißig- bis vierzigtausend; der Verlust an Eigentum war uner- meßlich und wurde auf 1700 Millionen Mark berechnet. Da die Raub- sucht sich das Eigentum der Überlebenden zuzueignen trachtete, so wurden einige Regimenter in die Stadt geschickt, um die Sicherheit wieder her- zustellen. Gegen 3000 Menschen arbeiteten täglich daran, den Schutt
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