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1. Bilder aus Europa mit Ausschluss des Deutschen Reiches - S. 270

1890 - Gotha : Behrend
270 Bilder aus West-Europa. Stelzen zu gehen. In dieser Beziehung stehen die Steppenbewohner einzig in der Welt und, irre ich nicht, selbst in der Kulturgeschichte da. Auf diesen falschen Beinen überwacht der Schüfer seine zwischen den Heide- büschen versteckten Schafe von oben, schreitet ungehindert durch die Pfützen, Sümpfe und Moorwiesen ohne Furcht, daß ihn die Ginsterdornen ritzen und die dürren Heideäste streifen. In ihren Schaffellen, an denen vor Alter die Wolle abgerieben ist, schreiten die Schäfer ernst aus Stelzen dahin und stricken dabei. So geht's über Heide, Farn und Dorn hinweg, als ob sie dieselben kaum berühren. Der Zuschauer bleibt in den Gesträuchen fast vergraben; die Schäfer aber scheinen in ihrer ganzen Gestalt auf der Liuie des Horizonts zu wandeln. Sie erscheinen utu so seltsamer, je näher man sie sieht; denn der gesunden Vernunft zum Trotz kann das Auge nicht umhin, ihre Stelzen für wirkliche Beine zu halten und man wundert sich, daß sie ihre Kniee nach innen statt nach außeu biegeu. Der große Stock, den sie mit erstaunlicher Leichtigkeit handhaben und der ihuen je nachdem als Balanee, Arm und Stütze dient, vermehrt deu seltsamen Anblick. In den Heiden von Medoc bedienen sich nicht allein die Schäfer, sondern alle Bewohner ohne Ausnahme der Stelzen, selbst die Kinder scheuen sich nicht, sich darans zu versuchen. Die Föhrenwälder, die das dreieckige Hochland der Heiden von Medoc rings umsäumen, sind von Harzsammlern bewohnt, welche an manchen Orten noch wahrhaft wild geblieben sind; denn die moderne Civilisation hat sie, wie es scheint, ganz links liegen lassen. Ihr Sprach- schätz ist äußerst gering und hat wahrscheinlich nicht mehr als ein paar hundert Wörter aufzuweisen. Die Wohnung ist sehr oft eine wahre Höhle, aus Baumstämmen errichtet und mit Zweigen bedeckt. Einige Pächter, die iu weiten Zwischenräumen von einander wohnen, bildeten noch unlängst mit den Hirten und Harzsammlern die ganze Bevölkerung der eigentlichen Heiden. Sie bauen Mais, Hirse und an den Abhängen nach den Bächen zu Roggen, wo sie also weder die Trockenheit zur Zeit der stärksten Hitze noch das Austreten der Gewässer^, im Herbst und Winter zu fürchten haben. Ohne Unterricht aufgewogen, verehren sie gläubig das Gesetz der Ahnen und betrachten Neuerungen im Ackerbau als ein verdammliches Unterfangen. In patriarchalischen Sitten leben sie familienweise oder in kleinen Stämmen von 8 bis 30 Personen unter einem Oberhaupte. Die ziemlich geräumigen, aber sehr niedrigen Hütten der alten Meiereien sind von fern immer durch große Eichen kenntlich, die um so mächtiger erscheinen, als sie in dem flachen Lande vereinzelt sind. Im Schatten dieser Bäume, die ohne Zweifel aus Ehrfurcht vor den altväterischen Traditionen gepflanzt sind, deren Laubdach aber auch durch das Aufsaugen eines Teiles der aufsteigeudeu übleu Dünste vor mancher Krankheit schützt, versammeln sich abends die Pächter. Die Wechselfieber sind trotzdem äußerst häufig und zeigen sich in den hohlen Augen, der fahlen Gesichtsfarbe und den hagern Gliedern. Eine andere abscheuliche Krankheit, unter dem Nameu Pellagre (peau aigre) bekannt, fordert im Lande jährlich viele Opfer. Hände und
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