1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
London.
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sich die Engländer seit 1846 gerne Freihändler nennen lassen, weil sie
den Einfuhrzoll aus alle rohen Lebensmittel und viele andere Artikel
herabgesetzt haben, giebt es der Waren noch gar viele, die einen hohen
Zoll bezahlen müssen. Diese Zölle wurden früher beim Zollhause er-
hoben, und der Prozeß war folgender: wenn ein Fahrzeug die Themse
heraufkommend, bei Gravesend angelangt war, begaben sich an diesem
Punkte zwei bis drei Zollbeamte an Bord und geleiteten das Schiff
stromaufwärts bis zum Zollhaus, damit es nicht auf dieser Strecke
unverzollte Waren ans Land setzen, d. h. schmuggeln könne. Das alles
ging recht gut, so lange London nicht seine heutige Ausdehnung, als
der Londoner Themsehafen noch nicht seine heutige Bedeutung erreicht
hatte. Wollte man gegenwärtig, wo oft an manchem Tage drei
hundert Fahreuge und mehr den Fluß heraufgeschwommen kommen,
sie sämtlich vors Zollhaus postieren, damit sie dort der Reihe nach
untersucht werden, so müßte man das Flußbett um das Dreifache er-
weitern und auch dann würde der Raum nicht hinreichen, auch dann
wäre der Fluß bald von der Masse der Fahrzeuge gesperrt, abgesehen
daß sie oft wochenlang, zum großen Schaden der Besitzer warten müßten,
bis sie an die Reihe kämen.
Diesem Übelstande abzuhelfen wurden die Docks errichtet. Sie ver-
danken, wie die meisten Anstalten in England, dem Unternehmungs-
geiste von Privatgesellschaften ihre Entstehung, und die Regierung hat
nichts dabei zu thun, als die großen Taxen einzustecken, welche die
Gesellschaften nach vorgeschriebenen Steuerrubriken zu bezahlen haben.
Jetzt wie vor Jahren giebt es Küstenwächter von Sheerneß bis
nach Gravesend; jetzt wie srüher steigen Zollbeamte hier an Bord
jedes stromauf segelnden Schiffes; auch steht es jedem Fahrzeuge frei,
beim Zollhause zu landen, und wenn es schnell abgefertigt sein muß
— wie dies bei Passagierdampfern der Fall ist — sich dort der
sofortigen Visitation zu unterziehen. Aber es ist nicht dazu gezwungen,
es kann in einen der Docks einlaufen und daselbst mit seiuer unver-
zollten Fracht liegen bleiben, so lange es in seinem Interesse ist. Eben
dieses Liegenbleiben der unverzollten Frachtgüter ist vor allem die Ver-
anlassuug zur Erbauung der Docks gewesen.
Erst wenn die Waren verkauft sind, wird von dem Käufer der
Zoll bezahlt. _
Durch diese Manipulation werden dem großen Verkehr unendliche
Erleichterungen gewährt, und die englische Regierung, konsequent in
ihrem Grundsatze, dem Verkehr jeden möglichen Vorschub zu leisten, hat
auch von Anfang an die Anlegung der Docks begünstigt. Von
Schmuggelei in großem Maßstabe kann in denselben nicht leicht die
Rede sein. Die Bassins und Magazine sind zumeist mit hohen Mauern
umgeben, und ein schmaler Schleusenkanal führt von der Themse aus
in die innern Räume. An allen Eingängen halten Zollbeamte Wache
und haben das Recht, jeden Hinausgehenden zu untersuchen.
Die Docksgesellschaften verzinsen ihre angelegten Kapitalien sehr
gut; ihre Revenuen bestehen in den Gebühren, welch die Schiffe in den