1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
348 Bilder aus Nord-Europa.
und meinte, die Engländer hätten dabei auf den Berg von Sägespänen
gesehen, die sich allerdings im Abendrot sehr schön ausnehmen müssen.
Der Trollhätta ist ein Modeort geworden, und allerdings verdient
dies fein poetischer Name. In alten Zeiten, als der hohe Forst noch
zu beiden Seiten sich erhob, mag die feierliche Stille wunderbar ge-
wirkt haben. Majestätisch an sich ist der vielfach gezackte und geteilte
Fall nicht. Fast von keinem Punkte hat man einen imposanten Über-
blick des ganzen Sturzes. Dagegen bleibt das Wasser- und Farbenspiel
des ersten Kataraktes eine merkwürdige Erscheinung. Es ist mehr ein
kochender Strndel als ein Fall. Hier schießt eine mächtige grüne Welle
senkrecht wie eine Felswand hinab, und kaum handbreit getrennt erhebt
sich parallel mit ihr zischend eine weiße Schaumwelle, und dem Auge
dünkt, es müsse die Reibung Feuer geben. So brausen und wechseln
und umarmen sich Schneeschaum und Metallgüsse, bis alles ein großer
überkochender Kessel wird und das verwirrte Auge Ruhe sucht vor dem
tollen Schauspiel einer ewig dauernden Gärung.
Auch die komische Phantasie ist geschäftig. Der Lachs, der in
übermütiger Laune diese Strudel aufsucht, bildet noch jetzt hier das
tägliche Brot der Fremden. Dünkte mich doch in den rot geschieferten
Granitfelsen, die aus dem Sturz vorragen, das rötliche Scheibenfleisch
des Lachses zu erblicken.
Bon dem Trollhättakanal erwarte man aus meiner skizzierenden
Feder keine Beschreibung. Geraten doch selbst dem Eingeweihten selten
Schilderungen der Maschinen. Ein ungeheures Werk, dessen Idee mehr
als die bildliche Anschauung Staunen erregt. Und doch stelle man
sich unten an den Götaelf und schaue den Granitberg hinauf, wie eine
kleine Flotte in sieben Etagen dnrch acht Schleusen hinabgleitet, von
der mit dem Wenersee parallelen Höhe in das Elfthal und vom Elf-
thal in das Meer, so verwandelt sich der Gedanke in Poesie. Es ist
kein Kanal, gestochen durch einen Granitberg, sondern das Werk einer
ungeheuren Berechnung, durch welche der Berg selbst verschwindet und
die Höhe mit der Meer-Ebeue gleich wird. Der Gedanke lebte jähr-
hundertelang, erst das unsere sah die Vollendung. Die einzelnen
Kanäle und Schleusen gewähren ebenso wenig als der Katarakt einen
großartigen Anblick; sie scheinen klein und eng im Vergleich mit dem
Umfange des ganzen Werkes.
Schweden in Bohnslän, nach Norwegens Grenze zu, ist nicht jenes
hohe Nordland mit Tannenforsten und jähen Klippen, wie es sich die
Phantasie gern vorstellt. Überraschend sind sür den Fremden diese Fels-
kuppen an Felskuppen, dieses matte Sonnenlicht, wie es die Wiesen
dazwischen mit ewigem Abendschein erleuchtet, die hölzernen Balken-
Häuser, alle rot angestrichen, dieser beständige Wechsel zwischen Thal
und Hügel. Aber bald tritt der Charakter trauriger Einförmigkeit
heraus. „Schweden ist eine häßliche Schweiz," sagte ein geistreicher
Kritiker, aber wohl zu scharf. „Eine Schweiz,' sagte ein anderer, „wo
man die Gletscher fortgefchnitten und die tiefen Thäler ausgefüllt hat."
Daran erinnern die rnnden Felskuppen, welche nie aus dem Auge ver-