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1. Bilder aus Europa mit Ausschluss des Deutschen Reiches - S. 353

1890 - Gotha : Behrend
Das Leben der Renntierlappen. 353 Der Hausvater bestimmt endlich einen zur Winterrast geeigneten Ort. Hier baut er seine Hütte oder Gamme, wie sie der Lappe nennt. Dabei sucht er gern die Nähe einer geschützten Schlucht, wo Birke und Kiefer wächst, wo ein Bach niederstürzt, und er baut dann diese Hütte etwas fester als das leichte Sommerzelt, bedeckt sie von außen mit Raseu, bekleidet sie vou innen mit den Fellen des Tieres, dem er alles ver- dankt, und erwartet nun, umringt von seinen Vorräten, die weiße, warme Decke, welche der Himmel ihn aus den Wolken schickt. Der Schnee fällt meterhoch; aber das Renntier achtet das nicht. Es weiß mit seinen Hufen die Hülle fortznfcharren, weiß die Kräuter und Moose darunter zu sinden und irrt ans diesen Ungeheuern Schneefeldern um- her, ohne je eines Stalles oder der Wartung zu bedürfen. Neben dem Wohnzelte des Lappen steht meist noch ein Zelt; hier speichert er auf, was er an Mehl, Fellen und Geräten besitzt. Ge- wöhnlich aber hat er nichts als einige hölzerne Schüsseln, einen Kessel, einige Kleidungsstücke, einige Pelzdecken, und an den Zeltstangen hängen die Renntiermagen, in welchen er seinen Milch- und Käsevorrat ver- wahrt. Auf einer andern Seite der Hütte ist aus Pfählen eine Art Hürde gemacht, in welcher die Renntiere zweimal des Tages gemolken werden. Dies ist das Anziehendste für den Fremden, der eine Gamme besucht. Die Hunde und Hirten treiben die Herde herbei, und die schönen Tiere mit den klugen, milden Augen bilden einen Wald von Geweihen. Die Kälber umringen ihre Mütter; die jungen Tiere erproben spielend und stoßend ihre Kraft, und unaufhörlich hört man jenes seltsame Knistern, das aus dem Knacken der Kniegelenke des Renntieres entsteht. Beim Melken wird jedem Tiere eine Schlinge übergeworfen, damit es still stehe, und diese Zügelriemen gebrauchen die Lappen mit derselben bewunderns- werten Geschicklichkeit wie der Indianer seinen Lasso. Das Renntier giebt wenig Milch; aber sie ist fetter wie jede andere und außer- ordentlich nahrhaft. Jedes Familienglied bekommt seinen Teil; ein anderer wird zu der täglichen Suppe verwendet, welche mit Mehl oder auch Renntierblut oder Fleisch gemischt, eine wohlschmeckende, stärkende Speise gewährt. Der Rest der Milch wird zu Käse gemacht. Im Winter läßt man die Milch auch wohl gefrieren, so daß man sie in Tafeln schneiden kann. Sie verliert dabei durchaus nichts von ihrer süßen Frische und ist namentlich auf Reisen ein sehr dienliches Nah- rungsmittel. Fleisch und Milch des Renntiers sind überhaupt die wichtigste Nahrung des Lappen, und nur durch die Kräftigkeit derselben wird es ihm möglich, die Furchtbarkeit des Winters zu überdauern. Will man das Renntier in seiner ganzen Schnelle sehen, so muß man es als Zugtier betrachten, wie es im scharfen Trabe mit schnellen Tritten dahineilt. Das Geschirr ist leicht; man lenkt das Tier mittelst eines dünnen Riemens, der am Geweih befestigt wird, und treibt es entweder durch Zuruf und die Peitsche oder mit einem Treibstachel an. Es wird nur einzeln vor einen Schlitten gespannt. Sorgsam in Pelze eingehüllt, daß kein Teil des Körpers, mit Ausnahme des Ge- sichts, der freien Luft ausgesetzt ist, sitzt der Reisende in seinem kleinen Meyer, Lesebuch der Erdkunde U. 23
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