1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Bilder aus dem mittleren Europa.
rechtschaffen und gottesfürchtig zu leben und die Gesetze zu achten. Auf
dem Gebiete des Gewerbfleißes hat sich Belgien von jeher eines bedeutenden
Rufes erfreut. Brabauter und insbesondere Brüsseler Spitzen galten
Jahrhunderte lang für das feinste und zarteste Gewebe aus Menschen-
Hand, und noch heute sind „belgische Spitzen", die besonders in Brüssel,
Mecheln und Brügge hergestellt werden, weithin bekannt und berühmt.
Südlich von Brüssel lieg das Schlachtfeld von Waterloo. Zum
Andenken an den blutigen und folgenschweren Kampf hat man eine
Erdpyramide von fast 70 m Höhe errichtet, welche auf granitenem
Sockel einen gewaltigen ehernen Löwen trägt, der aus eroberten Geschützen
gegossen wurde. Der Löwenhügel gewährt eine entzückende Fernsicht
über die meilenweit gedehnte fruchtreiche Ebene und einen lehrreichen
Überblick über das blutgetränkte Gefilde, in welchem Napoleons Geschick
so tragisch endete.
Rasch ist der Weg von Mecheln nach Gent zurückgelegt, denn in
55 Minuten durchbraust der Schnellzug die 56 tan. betragende Weg-
strecke. Das Land in dieser Gegend ist eben, die Felder sind wohlbe*
stellt, die Feldwege zu Alleen umgestaltet; die kleinen Dörfer zeigen
überall nette und reinliche Backsteinhäuser. Unter den Gebäuden des garten-
reichen Gent ist der Dom besonders hervorragend. In demselben befindet sich
ein in der ganzen kunstsinnigen Welt berühmtes Bild der Brüder von
Eyck, welches die „Anbetung des Lammes" darstellt. Der Nachbar des
Domes ist der Belsried, ein hoher viereckiger Turm, dessen Glocken
einst die Genter zu den Beratungen oder unter die Waffen riefen.
Die Belfriede waren der bürgerliche Stolz der alten niederländischen
Städte und galten für Wahr- und Gedenkzeichen ihrer bürgerlichen
Freiheiten. Merkwürdig sind die Beguiueuhöse, welche sich noch in
mehreren Städten Belgiens befinden, ein Überrest von jenen Beguiuen-
Höfen, welche zur Zeit der Kreuzzüge begründet wurden. Gent hat
deren noch zwei. Sie bestehen aus kleinen, freundlichen Häusern, die
um einen in der Regel mit Bäumen bepflanzten Platz liegen, und ge-
währen einer Anzahl Jungfrauen und Witwen (den Begninen) freie
Wohnung sowie mancherlei Unterstützung. Von diesen Frauen führt
jede ihre eigene Haushaltung und beschäftigt sich vorzugsweise mit
Näheu, Waschen und Spitzenklöppeln. An jedem Morgen versammeln
sie sich zu gemeinschaftlicher Andacht.
Von Gent nach Brügge geht die Fahrt durch gartenartig bebautes
Laud, das jedoch an keiner Stelle durch Eintönigkeit ermüdet, da in
der Landschaft prächtige, von Herden belebte Wiesen, Teiche und Gräben,
in denen melancholisch die Wasserrose blühet, schöne Landsitze mit Park-
anlagen und gespenstige Windmühlen fortwährend miteinander wechseln.
Welch ein Unterschied gegen Gent! Dort überall Thätigkeit, Auf- und
Abladen der Wagen, Hin- und Hertragen der Ballen, dampfende Schorn-
steine hinter den neuen Fabrikgebäuden, eilende Commis und dichte
Scharen elender Arbeiter; daneben elegante Kaufläden, moderner Luxus,
und die wenigen Überreste altflanderischer Zeit vernachlässigt und ver-
gessen. In Brügge dagegen stehen an den breiten heitern Straßen