1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Bilder aus dem mittleren Europa.
Jeder Drt in Belgien hat seine besondern Genres von Spitzen,
so daß die vielfachen Anordnungen des Handels nur dort genügend
befriedigt werden können.
Wie vieles bei der Spitzenfabrikation nicht nur von der Dis-
Position und Geschicklichkeit der Bevölkerung, sondern auch vermutlich
vom Klima abhängt, zeigt sich schon in Belgien selbst, wo gewisse
Spitzenprodukte mit großer Zähigkeit an einer und derselben kleinen
Lokalität hafteu. So hat man sich z. B. viel Mühe gegeben, die
Brüsseler Spitzen, die bekanntlich die besten sind und an Güte so hoch
über allen belgischen Spitzen stehen, wie der Tokayer über den andern
Ungarweinen, auch in anderen belgischen Städten nachzuahmen. Alle
oft wiederholten Versuche dazu sind aber vollständig gescheitert. Nur
in Brüssel selbst und in einem kleinen Rayon der Nachbarschaft können
die echten Brüsseler Spitzen erzielt werden.
Das Publikum der europäischen Damenwelt hat immer für die
echten, soliden Brüsseler Spitzen eine sehr konstante Vorliebe gehegt.
Und sie haben trotz der in neuerer Zeit hochanschwellenden Flnt des
Unechten ihren Wert fest behauptet.
Auch auf die Beschaffenheit der Muster und Zeichnungen bei den
echten Spitzen hat die Mode bei weiten nicht einen so fördernden und
schwankenden Einfluß geübt, wie auf andere Jndnftriegegenstände. Viel-
mehr hat man immer mit großer Treue den alten Mustern ange-
hangen. Die alten einmal adoptierten Muster werden daher immer
mit derselben Beständigkeit reproduziert, wie die bekannten orientalischen
Figuren und Formen in der persischen und indischen Schalfabrikation.
Die Spitzenfabrikation ist in allen Städten der niederdeutschen
oder vlämischen Hälfte Belgiens verbreitet. In der östlichen wallonischen
Hälfte ist sie nicht heimisch, nur hier- und dorthin verpflanzt. Sie
geht auch so weit nach Frankreich hinein, wie der flandrische Volks-
stamm, bis nach Dünkirchen, Calais, Lille, Valenciennes. Es ist eine
wesentlich flandrische, also eine germanische Industrie, wie denn über-
Haupt der Flachs und die Leinwand mit allem, was damit zusammen-
hängt, wesentlich derjenigen Nation anzugehören scheinen, die so viele
fleißige Handweber und dabei so viele Spinnstuben, Spinnlieder, so
viele Lobgesänge auf die Bleicherinnen u. f. w. besitzt, nämlich der
Deutschen. Als Familien- und Hausindustrie heimisch ist die Spitzen-
klöppelei nur bei den Völkern deutschen Stammes, bei den Vlämingen,
bei den Bewohnern des Erzgebirges, bei den Deutschen in Schleswig
und bei den Angeln der Insel Wight.
In allen belgischen Städten ist eine besondere Art von Spitzen,
ein eigentümliches Verfahren bei der Spitzenproduktion. Jede hat ihren
eigenen „Point." Man spricht daher von „point de Bruxelles",
„point de Malines," „point de Valenciennes" 2c. In jeder Stadt
ist einmal nur diese oder jede Gattung von Flachs und Garn bequem
zu haben. In jedem Distrikt sind gewisse Versahrnngsweisen einmal
gäng und gäbe, gewisse Dessins bekannt und von Mutter auf Tochter
eingeübt. Und da die Frauen aus den Straßen, in denen sie geboren