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1. Bilder aus Europa mit Ausschluss des Deutschen Reiches - S. 390

1890 - Gotha : Behrend
390 Bilder aus dem mittleren Europa, müssen die Niederländer es sich gefallen lassen, bei den Fremden durch- weg als Holländer zu heißen. Aber diesen Menschen, wie soll man ihn beschreiben? Etwa wie ihn der Schwabe oder Thüringer ausschreit: ein Kerl mit Froschblut, mehr Wasser als Blut in den Adern, langsam, klotzig, steif, kalt, pedantisch und förmlich, kurz, nichts als Langweiligkeit, Steifheit und Förmlichkeit? So ist der Schein, und so ist das erste Aussprechen des Gefühls, welches er bei Fremden erweckt; aber du mußt tiefer hinein- bohren, länger und aufmerksamer betrachten und wirst dann anders sprechen müssen. Denn wer darf wohl so hinfahren über ein Volk, das ein solches Land gemacht, einen solchen Zustand geschaffen hat, das eine so große Geschichte hinter sich hat, wie diese oft wirklich so langweiligen und steifen Holländer? Aber bei alledem, wie sehr man auch die zurückweisen muß, die von den Holländern als einer nur wunderlichen oder gar lächerlichen Erscheinung reden, sitzt und steckt in der holländischen Art doch etwas Unbeschreibliches. Man muß sie lauge und viel sehen, um sie von innen heraus verstehen zu lernen. Wenn man so in die holländischen Städte und Dörfer kommt, oder in die einzelnen Häuser tritt und die Menschen so still und langsam und doch so nett und reinlich, als hätten sie mit Arbeit und Mühe sich nur leicht zu befassen, einhergehen sieht; wenn der Bauer langsam und be- dächtig wie eiu Storch in seinen hohen Holzschuhen eiuherschreitet und mit wohlbehaglicher Miene und langsamer, breiter Rede dir begegnet: so könnte dir einfallen, ein so stilles, bequemes Geschlecht könne dies Land nicht gemacht, diese gewaltigen, herrlichen Werke nicht geschaffen haben; die alten Cyklopeu, welche diese Mauern, Türme, Wälle und Deiche aufgetürmt, seien längst ausgestorben, und ein matteres Ge- schlecht habe ihre Stelle eingenommen. Der Holländer steht aber da im Bewußtsein der Wohlbehäbigkeit und Behaglichkeit, eben daß er der Schöpfer und Herr dieses Landes ist, wo nur Frösche, Möwen und Rohrdommeln ihre heiseren Stimmen tönen lassen würden, wenn der Mensch nicht hinzugetreten wäre und mit Spaten, Schaufel und Ruder in der Hand sein: „Es werde!" gerufen hätte. Es ist der stille, zahme Seelöwe, der sich auf die trockenen Klippen in die Sonne gelegt hat. Wenn man diesen Menschen sieht, wie nett seine Kleider, wie wohl- gesetzt seine Perücke, wie mit Blumen und Kräutern mancherlei Art sein Flur- und Vorhans geziert ist, wie er in seinen zierlich 'geschnörkelten und mit Bildchen verzierten Wänden wochenlang spazieren gehen kann, ohne ein Spier*) zu verrücken; wenn man sieht, wie er seine Gürten mit mancherlei bunten Muscheln und Steinen ausgelegt und die Bäume und Sträucher zu allerlei regelrechten Figuren geschnitzt hat; wenn man in seinen Kuhstall tritt, der so reinlich und nett gefegt ist, daß eine Prinzessin mit ihrem Schleppkleide hindurchgehen könnte, ohne daß sich etwas Ungebührliches daran hängte: dann begreift man den Inhalt *) Kleine, zarte Spitze, besonders die aus dem Erdboden hervorstehende Gras- oder Kornspitze; hier bedeutet es das Geringste, Unbedeutendste.
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