1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Bilder aus dem mittleren Europa.
blättere die Geschichten von Brügge, Gent, Antwerpen, Dortrecht,
Lehden n. s. w. — durch das ganze Mittelalter, und du wirst an der
Küste dieser Seelande immer noch ähnliche Erscheinungen stnden. Un-
gestüm und unbändig, wenn dieser friesische Mann seine Art und seine
Freiheit in Gefahr glaubt, fest und still in den gewöhnlichen Zuständen
des Lebens.
Wie gesagt, er hat das Gefühl, — und wer wagt es ihm zu be-
streiten? — daß dieses Land im eigensten Sinne sein Land ist, daß
er es sich geschaffen hat. Er hat im Kampf und in der Arbeit seiner
Schöpfung alles, was Verstand, Mut und Besonnenheit heißt, zusammen-
nehmen müssen; Zucht, Ordnung, Klarheit des Urteils, Nüchternheit
der Überlegung sind auf solche Weise sein Wesen geworden; darum haßt
er alles Verschwimmende, Unbestimmte, Übertriebene in Gefühlen und
Gedanken und schilt es gerne deutsche Krausköpfigkeit, deutsche
Schwärmerei. In seinen Gesetzen, wie in seiner Religion ist er daher
gern auf dem Wege der Klarheil geblieben. Der Genfer Kalvinismus
war der einfachen, klaren Form seiner Verfassung angemessen; darum
nahm er ihn an, als übereinstimmend mit dem Demokratischen seines
Charakters. Der strenge, trockene holländische Kalvinismus steht offen-
bar in einer gewissen Ähnlichkeit mit dem englischen Protestantismus,
nur daß die englische Hofkirche das monarchische, ritterliche Element
des Glanzes und der Pracht, gleichsam eine Darstelluug der äußerlichen
Herrschaft der Kirche, die dort besteht, beibehalten hat. Denn in dem
ganzen englischen Volke, wie demokratisch wunderlich sich auch der ein-
zelne geberden „mag, herrscht doch ein adeliger, aristokratischer Sinn vor.
Es ist diese Ähnlichkeit und dieser Unterschied gleichsam das unter-
scheidende Bild der beiden Völker. Beide haben den Sinn und das
Streben des Klaren, Festen und Bestimmten im Leben und in der
Verfassung; beide fragen bei allem, auch bei dem Höchsten: was nützt
es? wie steht und besteht es auf der Erde? Sie fliegen mit dem
Deutschen nicht gern so hoch, daß ihnen der Boden unter den Füßen
schwindet. Sie siud auch im religiösen Leben mehr auf ein Feststehen-
des, auf die Orthodoxie hingewiesen. Darum kommt der Holländer
als ein mehr trockener und klarer Mensch auch mehr mit dem Eng-
länder überein als mit dem Deutschen. E. M. Arndt.
Ii. Die Schweiz.
1. Die Alpen.
1. Der Charakter der Alpen. — 2. Einteilung der Alpen. — 3. Der St. Gotthard
als Knotenpunkt der Alpen. — 4. Die Alpen als Völkerscheiden.
1.
Das große Gebirgssystem, welches gleichsam die Wirbelsäule Europas
bildet und dessen Verzweigungen, wie die Glieder eines Körpens, die
Umrisse des Kontinents selbst bestimmen, bietet durch die Mannigfaltig-
keit seiner Formen und die Kreuzung seiner Ketten/ durch seine zahl-