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1. Bilder aus Europa mit Ausschluss des Deutschen Reiches - S. 404

1890 - Gotha : Behrend
404 Bilder aus dem mittleren Europa. der Handel konnte nur mit Hilfe der Saumtiere getrieben werden, stark- knochiger Packpferde oder Maultiere, die nach ihrer Last (drei Centner nannte man ein Saum) den Namen erhielten. Obwohl man auf dem Wege von Flüelen bis nach Bellinzona bei günstigstem Wetter mit Saumrossen vier Tage brauchte, war der Verkehr dennoch ein überaus reger. Alljährlich überschritten 16 000 Reisende und 9000 Saumtiere den Gotthardpaß, und der Ertrag der Zollgelder stellte sich für den Kanton Uri jährlich auf 20 000 Gulden. So blieb es bis in das erste Viertel unseres Jahrhunderts. Als aber die Verkehrswege über den Bernhardin und Splügen zu sicheren, breiten und bequemen Straßen ausgebaut wurden, da drohte der Gott- hardpaß zu veröden, und darum entschlossen sich die Bewohner von Uri und Tessiu, deu Saumweg, der für ihr Land von so hoher Bedeutung war, zu einer breiten und nicht minder sicheren Straße umzugestalten. So entstand im dritten Jahrzehnte unseres Jahrhunderts die viel be- wunderte Kunststraße über den Gotthard, ein großartiges Denkmal der Thatkraft und Opferwilligkeit der Bürger Uris.*) Folgen wir ihrem Zickzack. Von Flüelen am Südende des Urner Sees führt die Straße durch das breite untere Reußthal, in dessen Hintergrunde der schöne, kegelförmig sich zuspitzende Bristenftock aufragt, nach dem Hauptorte Uris, dem Flecken Altdorf. Die Lage des Ortes mit seinen neuen und schmucken Häusern ist sonnig und heiter, die Thalsohle die fruchtbarste. Nicht nur hohe Wallnußbäume mit ihren weitschattigen Kronen erfreuen den Wanderer, selbst echte Kastanien- bäume überraschen ihn; an Geländern zieht sich die Rebe hin und läßt ihre Traubengewinde von den Mauern herabhängen. Duftende Jasmin- lanben winken uns in den Gärten, und deren Gebüsche werden schon, wie in südlichen Breiten, von der Stechpalme, dem Kirschlorbeere und dem Buchsbaume gebildet. Selbst Pfirsiche, Aprikosen und Feigen reifen ihre Früchte, und die Sommerwärme steigt im Schatten bis auf 24° R, während das Thermometer im Winter selten bis unter 10 oder 12 o R. fällt. Geben die von hohen Mauern eingefaßten Gärten, die verzierten Außenseiten einiger Häuser der Wohlhabenden, die Kirche, Klöster und Kapellen dem Orte ein italienisches Gepräge, so fehlt auch der strenge, finstere Zug nicht, den das Antlitz des ganzen Kantons trägt. Der schroffe, finstere Bannberg schaut in die offenen Straßen Altdorfs herab, dessen Tannenwälder die Axt nur sparsam berühren darf, damit nicht Lawinen und Steinmassen verderbenbringend herab- rollen. In Altdorf haben wir gleichzeitig den klassischen Boden der Teil- sage betreten- Das Standbild des berühmten Schweizer Helden be- zeichnet die Stelle, wo der kühne Schütz gestanden haben soll, während gegenüber in der Nähe eines mit Fresken ans Tells Leben bunt be- malten Turmes der unerschrockene Knabe den Pfeil des Vaters er- wartete. Seitwärts von unserer Straße, am Eingang des Schächen- *) Die 19 armen Gemeinden Uris hatten 1260 000 Franken aufzubringen.
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