1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Bilder aus dem mittleren Europa.
feierten sächsischen Hofschauspielerin Karoline Bauer, welche an der
Seite ihres Gemahls, des polnischen Grafen Plater, hier bis 1877
lebte. Die Stadt Rapperswyl hat bis 1789 den Mittelpunkt einer
eigenen kleinen Republik gebildet. — Aus der rechten Seite unter-
halten uns bei der Fahrt gleichfalls viele anmutige Orte, darunter das
stattliche Horgen, ein Sitz reger Seidenindustrie. Wenn uns dann
bei Richterswyl das Schiff hinüber zum andern User trägt, passieren
wir die Eilaude Ufeuau und Lutze lau. Auf ersterem grüßt uns
eine Kirche aus dem Jahre 950, und wir gedenken im Vorüberfahren
zugleich des edlen Ulrich von Hutten, des Vorkämpfers der Resor-
mation, welcher sein ruheloses Leben hier als Flüchtling, 35 Jahr alt,
beschloß. Die kleinere Insel Lützelan trug eiust ein Nonnenkloster. —
Auf der ganzen entzückenden Fahrt bieten sich zahlreiche Prachtblicke
auf die Alpenmassen im Süden und Südosten dar. Schon ist auf
den Titlis hingewiesen worden, der im Südwesten des Vierwaldstätter-
sees emporragt, aber auch der breite Urirothstock winkt aus sast
gleicher Richtung herüber, und weiter ostwärts tauchen hin und wieder
der gewaltige Tödi, der Gläruisch, Mürtschenstock und Säntis
aus; selbst der niedere, aber so aussichtsreiche Rigi tritt einmal zwischen
den Borbergen malerisch hervor.
Der größere oder Untersee endet bei Rapperswyl; ein seit 1878
fertig gestellter 1005 m langer Damm mit 2 Brücken, welcher die ge-
nannte Stadt mit dem andern Seeufer verbindet, bildet die Scheide-
grenze zwischen ihm und dem weit kleineren Obersee, welcher gleich-
falls hohe Schönheiten besitzt, aber weit einsamer ist als jener. Nur
selten wird der Obersee von Reisenden besucht, so sehr er Beachtung
verdiente.
Der Züricher See ist unzweifelhaft einer der köstlichsten Wasser-
spiegel der Erde, und seine Gestade, ebenso begünstigt durch die reichen
Gaben der Natur wie belebt durch die Betriebsamkeit vieler tausend
emsiger Menschen, haben schon so manches glühende Dichterherz zu be-
geisterten Ergüssen angeregt. Berühmter und bekannter ist aber keine
an diesen See gerichtete Dichtung geworden als die herrliche Ode Klop-
stocks, welche mit den Worten beginnt:
„Schön ist, Mutter Natur, deiner Erfindung Pracht
Auf die Fluren gestreut, schöner ein froh Gesicht,
Das den großen Gedanken
Deiner Schöpfung noch einmal denkt."
2.
Ganz anders ist der Charakter des Vierwald stätt er sees, zu
welchem wir von Zürich aus in schnellem Fluge auf der Eisenbahn
getragen werden. Wir erreichen denselben an seinem nordwestlichen
Zipfel bei der prachtvoll gelegenen Stadt Lnzern. Im Süden der-
felben ragt die abenteuerliche Gestalt des Pilatus empor, während
von Südosten her der Rigi herübergrüßt, und von dem glänzenden
Schweizerhofkai, der Luzerns Corso bildet, aus schaut man über die