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1. Bilder aus Europa mit Ausschluss des Deutschen Reiches - S. 454

1890 - Gotha : Behrend
4-54 Bilder aus dem mittleren Europa, „Der Kopf thut's halt nimmer mehr", dies ist eine sehr gewöhn- liche Antwort, die man von alten Älplern empfängt, wenn sie sagen wollen, daß sie nicht mehr in die schroffen Berge gehen können. Sie deuten auf den Schwindel hin, der sie im Alter leichter ergreift als in der Jugend. Es ist die für den Alpensteiger schlimmste Gefahr; weder unsere Dachdecker, noch unsere Turmbauer kennen ihn in dem Grade, weil die Abgründe, welche sie unter sich haben, noch immer unbedeutend sind gegen die furchtbaren Schlünde und Tiefen, die in den Alpen einen angähnen. Schwindellosigkeit und Mut sind daher dem Alpensteiger ebenso nötig wie Gewandheit und ein sicherer Gang. In der That sind die Gebirgswege mitunter haarsträubend. Es wird hier schon als eine überflüssige Breite der Fußwege gepriesen, wenn sie so breit sind, daß die ganze Sohle des Fußes darauf Platz hat. Ge- wohnlich klagt der Alpensteiger schon nicht, wenn überall die Hälfte seiner Fußsohle Raum gewinnen kann. Alles, was ich mit dem Fernrohre sah, begleitete mein Alter mit Anmerkungen aus dem Schatzkästlein seiner Lebenserfahrungen. „In jenem Eise dort auf der übergossenen Alpe," fagte er, „giebt es eine Menge tiefer Spalten, Grotten und Schluchten. Vor sehr langer Zeit habe ich mich einmal an Stricken in einen solchen Spalt hinabgelassen, weil uns ein Gams'l hineingefallen war. Meine Freunde hielten den Strick, und ich fand das Gams'l richtig in der Tiefe, wo die Spalte in einer ganz ausgewaschenen Unterhöhlung endigte. Es ging hier unten ein sehr starker Wiud unter dem Eise weg. Ja, ein Wind war es nicht, sondern ein Sturm, eiu furchtbar heulender Sturm, der durch alle Eislöcher hindurch pfiff. Sehr kalt schien er aber mir nicht zu sein. Ich packte das Gams'l, und meine Freunde zogen mich wieder hinauf." Von dem steinernen Meere aus machten wir mit dem Fernrohre einen tüchtigen Satz über einen tiefen Abgrund zum Täuueugebirge. Dies ist eine vollkommen wüste und unbewohnte, steinige und eisige Hochgebirgsmasse von vier Stunden Länge und zwei Stunden Breite. In dieser Ausdehnung ist es auf allen Seiten von Flüssen und Thälern rundumher umschlossen, und gegen diese Thäler fällt es überall hin mit furchtbar steilen Wänden ab. Es hat etwa die Gestalt einer hohen Königsburg. Nimmt man an, daß der Boden der umliegenden Thäler etwa 430 m über dem Meere liegt, so heben sich die Gemäuer jenes gewaltigen Gebäudes 1700 m über diese Thäler hiuaus, und man kann sich danach einem Begriff von ihrer Größe machen. Es schwindelt einem, wenn man die schroffen Wände und Schlünde mit dem Fernrohre untersucht. „Ans einem Spaziergange daran hinauf," fagte mein Alter, „giebt's hundertmal Gelegenheit, den Hals zu brechen. Und geht man hinunter, so glaubt man oft, man sei schon uuteu. und doch kommen immer noch einige unbedeutende Absätze, die hoch geuug sind, um bei einem Fehl- tritte alle Glieder zu zerschlagen. Geht man aber hinauf, so ist dort oben zuweilen ein Wind, daß einem die Knöpfe und Litzen vom Rocke gerissen werden und die Nafe im Gesichte schwankt."
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