1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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thäler dann weiter besamten, hier liegen die Hauptschlösfer, die der
Feind zuerst erstürmen mußte, wenn er das übrige bewältigen wollte,
— hier liegen die kleinen Handelshäfen, welche die Bergbewohner des
Innern von jeher mit der Welt in Berührung setzten. Hier liegen
aber auch die festen Burgen, von denen aus die Tartaren, Hunnen,
Ungarn und Türken, sich seitwärts verbreitend, das Land verwüsteten,
oder in denen viele Raubritter hausten, die Plager und Zwingherren
der Bauern und Kaufleute, weit und breit. Da liegt die Teufelsmauer
unweit Mölk, welche, der Volkssage uach, der Böse baute, um damit
den Fluß zu sperren, und in ihrer Nähe sieht man die Schlösser Schön-
bühel und Aggstein, bei denen der Geschichte nach den Raubrittern
das wirklich gelang, was der Teufel selber nur vergebens versuchte. Der
Ritter Schreckenwaid zog hier in dieser wilden Gegend eine Kette über
die Donan und plünderte und brandschatzte die vorübergehenden Schiffe.
Auf diesem Schlosse hatte der genannte Ritter sein Rosengärtlein, wie
er einen tiefen Abgrund nannte, in welchen er durch eine eiserne Thür
die gefangenen Reisenden über Felsen hinabstürzte. Endlich liegen auch
unterhalb Mölk die Ruinen Dürrensteins, des berühmtesten und be-
sungeusteu Donauschlosses. Die Donau macht kurz vor diesem Punkte
eine Krümmung und kurz nachher wieder eine, und das Schloß zeigt
sich daher, auf grausigen Felszacken thronend, ziemlich plötzlich, und da
es im Rücken wieder von Felszacken und Bergmauern umschlossen
wird, so erscheint es sehr isoliert und wie in einer felsigen Einöde
liegend. König Richard von England, als er in diesem Gefängnisse
saß, mag daher wirklich nicht wenig gelitten haben.
Hinter Dürrenstein nun, wenn man um die Ecke nach Mantern zu
herumkommt, steht das letzte schöne Bild in der herrlichen Gemälde-
galerie, die wir durchliefen, und in der es so unerschöpflich viel Schönes
zu sehen giebt, daß man ein Argus mit hundert Augen sein müßte,
wenn man alles darin entdecken wollte. Zur Rechten und Linken der
Donau liegen die kleinen, freundlichen Städte Stein, Mautern und
Krems, lauter alte und im Nibelungenliede bereits besungene Orte. Von
einem Orte zum andern zieht sich über die Donau hin eine Schiffbrücke,
auf der andern Strecke von Linz her die erste. Beides, die Brücke
und die Städtchen, interessante Erscheinungen hier an der Scheide des
Donaugebirgslandes und der Donauebenen. Vorn, aus dem Fenster
eines Hauses, das weit in die Donau hiuausgreift, blicken gemütlich
ein Paar Mönche auf das unruhige Treiben aus dem vorüberrauschenden
Dampfschiffe hin. Eine über den Fluß hinausragende Terrasse des
Hauses ist mit Blumen besetzt. Im Hintergrunde sieht man die Pracht-
gebände des dritten großen Donaustiftes Gottweih auf einem 220 Meter
hohen Berge hervorragen. Weingärten bekränzen überall die Hügel,
welche sich zu den Seiten der kleinen Städte erheben. Im Vorder-
gründe und in der Mitte an dem sich krümenden Flusse bewegen sich
Schiffe hin und her. Ein reizendes Bild!
Endlich gelangen wir nach Nußdorf. Dieses Nußdorf ist der Douau-
Hafen für Wien. Hier landen die meisten für Wien bestimmten Danau-