1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Prag.
Malerakademie, Ausstellungssäle für bildende Künste, einen großen
Konzertsaal u. s. w. enthält und von den prächtigsten Parkanlagen
umgeben ist. Wer von den Bewohnern des rechtsseitigen Prag sich an
frischer Luft und Pflanzengrün erquicken will, findet beides in dem be-
liebten Stadtparke oder auf dem mit schönen Baumreihen besetzten
Wenzelsplatze oder in den Parkanlagen des Karlsplatzes, der den größten
Platz von Prag bildet.
Sechs Brücken, unter denen sich zwei Eisenbahnbrücken befinden,
setzen die beiden Ufer der Moldau in Verbindung. Wo die Franzens-
kettenbrücke über den Fluß führt, liegen drei Moldauinseln nahe beisammen.
Die größte von ihnen, die Schützeninsel, dient dieser Brücke als Stützpunkt.
Etwas kleiner ist die Sophieninsel, der Sammelplatz der vornehmen Welt.
In der Nähe liegt auf Altstädter Seite am Ende der Ferdinandsstraße
das böhmische Nationaltheater. Der fast vollendete Ban wurde im
Jahre 1881 ein Raub der Flammen, ist aber jetzt in aller Pracht wieder
erstanden. Die älteste und merkwürdigste der Brücken Prags ist die
Karlsbrücke, die nnter Karl Iv. begonnen wurde. Schöne und altertümliche
Türme zieren die Enden der Brücke. 28 Bildsäulen erheben sich zu beideu
Seiten auf den Pfeilern derselben. Unter ihnen befindet sich die des
heiligen Nepomuk, welcher in Böhmen sich eines hohen Ansehens erfreut
und der Sage nach vom König Wenzel in die Moldau gestürzt wurde.
In der Mitte des Monats Mai feiert man diesem Heiligen zu Ehren
in Prag ein achttägiges Fest, das Johannesfest genannt, zu welchem
Tausende von Menschen herbeiströmen. In diesen Tagen ist die Brücke
allabendlich von frommen Betern gefüllt, die ihre Andacht vor der Bild-
faule des Heiligen verrichten. In langen Zügen bewegen sich dann, laut
singend, die frommen Scharen durch die Stadt und machen vor jeder
Johannesbildsäule (Johannes ist der Vorname des Heiligen) Halt. Auf
allen Plätzen herrscht in diesen Tagen reges Marktleben. Allerlei Budeu
und Kramstellen werden errichtet und Tausend? von Abbildungen des
Heiligen ausgeboten.
Nach der Kleiufeite und dem Hardschin hin gewährt die Karlsbrücke
eine überraschend schöne Aussicht. Die Kleinseite ist die Stadt des
Adels, der hohen Beamten und Militärs; hier ist der Sitz der höchsten
Landesbehörden. Auch die Kleinseite hat ihren Ring. Auf demselben
steht ein schönes Denkmal des alten Kriegshelden Radetzky, der von
Truppen der verschiedensten Waffengattungen und Volksstämme auf
einem Schilde emporgehoben wird. Nördlich vom Ringe liegt der
Waldsteinifche Palast (das „Friedender Haus"). Den nötigen Platz
zu demselben gewann Waldstein (Wallenstein), indem er 20 Bürgerhäuser
niederreißen ließ. Hier sann er, scheinbar der Welt entsagend, nach der
Abdankung seinen großen Plänen nach und sperrte oft die benachbarten
Gassen durch Ketten ab, um Ruhe zu haben. Teilweise sind diese Räume
(wie das astrologische Kabinett, die Hauskapelle, die Badegrotte) noch
in demselben Zustande wie zu Lebzeiten des Herzoges. In einem besonderen
Gemache ist ausgestopft das Pferd zu scheu, welches der Friedläuder in
der Schlacht bei Lützen geritten hat. Ans dem Hradschin liegen die
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