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1. Bilder aus Europa mit Ausschluss des Deutschen Reiches - S. 493

1890 - Gotha : Behrend
Die ungarische Pußta. 493 den nächtlichen Himmel ab. Die Hirten bereiten und verzehren ihr Nachtmahl; einige Kühe und Mutterschafe werden gemolken, und nach- dem alles besorgt ist, besuchen manche Hirten ihre Nachbarn und plaudern oder spielen, um das Feuer gelagert. Auf die Bitteu der Hirten er- zählt der Oberhirt seinen Gehilfen uralte Sagen und Märeu, z. V. wie die Magyaren in ihre jetzige Heimat eingewandert und sie mit dem Schwerte erkämpft, aus dem Leben der großen Helden der Vorzeit n. a. Rings herrscht tiefes Schweigen, und keiner der Lauschenden wagt es, ihn zu unterbrechen. Erst spät in der Nacht verstummt sein beredter Mund, und bald umfängt alle der süße Schlaf. Nur der Sonntag macht einen Abschnitt in dem Leben auf der Pußta; dann begeben sich die Hirten, an denen gerade die Reihe ist, auf flinken Rossen — nur der Schafhirt trottet auf seinem bedächtigen Grautier — in die Dorfschaft zu den Ihrigen, oder in die Csarda.*) Die Burschen tanzen aufjauchzend und unermüdet auf einem Fleck in der dunstigen Stnbe und schwingen in der einen Hand ihre Tänzerin, in der anderu die lang- und breithalsige Flasche. Die Alten setzen sich in einer Ecke auf die Bank und lassen sich ihre Lieblingslieder vor- geigen und versinken bei den wehmütig-klagenden Tönen in Gedanken an die entschwundenen schönen Tage der Jugend, bis die Musik in tollen Weiseu auflodert und die Tänzer lustberauscht den Boden klirrend stampfen; dann stoßen sie wohl die Flasche kräftig nieder und springen mit leuchtenden Augen auf, hingerissen von den uralteu heimischen Klängen. 2. So sehr sich Ungarn in neuerer Zeit au die hochzivilisierten Länder Europas anschließt, so viele Elemente sind doch noch in ihm vom orientalischen Nomadentum zu finden. Ein solches Element sind vor allein seine Hirten; ehe wir aber von diesen insbesondere sprechen, wollen wir erst einen Blick werfen auf diejenigen Landesverhältnisse, welche den Grund zu dem Hirtenwesen legen. Die Bevölkerung des Königreichs Ungarn ist im allgemeinen von jeher dünn gewesen, und wenn sie auch in einigen Komitaten sich derjenigen von Deutschland gleichstellte, so erreichte sie doch in den meisten nicht die Hälfte der Stärke, als sie nach der Frucht- barkeit des Landes sein könnte, und noch viel dünner ist sie dnrch den Krieg von 1849 geworden. Dies gilt besonders von den ausgedehnten Ebenen an der untern Donau und au der Theiß mit ihren Neben- flüssen. Dort liegen die Ortschaften so weit von einander, daß zwischen vielen ein Raum von drei bis vier deutscheu Meilen ist, und daß man solche, die nur eine Meile auseinander lägen, gar nicht kennt. Daher kommt es denn, daß manche Dörfer einen Hottar**) von zehn bis zwölf Quadratmeilen haben. Sind nun auch diese Ortschasteu meist stark bevölkert, so daß es Flecken und Dörfer giebt, die 10 bis 12 000 Einwohner zählen, so ist es doch geradezu uumöglich, daß sie *) Wirtshaus. — **) Feldmark.
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