1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Allgemeine Übersicht.
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zurück. So unbezwingbar war ihr Freiheitsgeist, daß die tampfgeübten
Gallier von ihnen sagten, „auch die Götter widerständen nicht solcher
Gewalt". Nur Jagd und Krieg war ihnen eines Mannes würdige
Arbeit. Ackerbau, Viehzucht und Handwerk überließ man den kriegs-
gefangenen Sklaven und den Weibern. In die Schlacht sprangen sie
wie zu einem Tanze; ihre Jünglinge behingen sie mit einem Schand-
zeichen, bis sie einen Feind erschlagen hatten; über Eisberge und
Gletscher rutschten sie auf ihren Schilden hinab, zum Grabe ihrer
Könige leiteten sie Ströme ab.*) Vor der Gottheit, so viel sie von
ihr verstanden, hatten sie die tiefste Ehrfurcht; ohne ihres Willens ge-
wiß zu sein, wozu bei Unternehmungen die Priester befragt und Opfer
gebracht wurden, beschlossen sie nichts. Ihre Götter oder Asen (Ansen)
waren: Wnodan oder Odin, Donar oder Thor, Zin oder Tyr u. s. w.
Strenge Zucht und kindliche Einfalt, unverbrüchliche Treue und nnbe-
fleckte Keuschheit, Heilighaltung der Familie und der Ehe, Achtung des
Weibes, hohes Pflichtbewußtsein und Opferbereitschaft sind die Tugenden,
welche Feinde von ihnen rühmen. — Auch hatte sich ihr Rechtssinn
bereits zu einer trefflichen Gemeindeverfaffung und zu festem Stammes-
recht entwickelt.
Bekannt ist, wie die römischen Heere die furchtbarsten Nieder-
lagen durch sie erlitten, wie aber Zwietracht und Eifersucht das ihre
thaten, Süd- und Westdeutschland zwischen Rhein und Donau zur
römischen Provinz zu machen. Die edlen Reben an der Hardt, am
Taunus k., viele rheinische und schwäbische Städte, die ersten Kirchen
sind römischen Ursprungs. Bis zu einem Wall, den die Deutschen
„Teufelsmauer" oder „Pfahl" hießeu und der unter anderem von
Welzheim schnurgerade über Öhringen bis Walldürn zog, war alles
römisch, dieses Gebiet hieß die Agri Decumates, d. h. Zehntland.
Dann kam die Zeit der großen Völkerbünde: im Süden der Ale-
mannen, am Niederrhein der Franken (d. i. Freien), weiter nord-
wärts der Sachsen (d. i. Schwertmänner); von der Ostsee aber bis
zum Schwärzen Meere wurde der große Bund der Goten gewaltig.
So wurden die Deutschen wieder Herren ihres Landes, zerstörten das
altersschwache, römische Reich, eroberten Britannien und drangen bis
nach Nordafrika weiter. Es folgte die fränkische Zeit, in welcher
Deutschland christianisiert und das römische Reich unter christlichem
Namen wieder hergestellt wurde. Durch den Vertrag von Verdnn wurde
aber 843 Karls des Großen Reich geteilt, und Deutschland fing nun
erst sein eigenes Staatsleben an. Die Krone kam nach und nach auf
*) Eine Menge Reste ihres Heidentums leben noch unter dem Volke: die Ge-
brauche beim Weihnachtsfest und Osterfest (Ostern selbst ist noch der heidnische
Name der Frühlingsgöttin Ostera), die Johannisfeuer, die Kirchweihen (ursprüng-
lich Erntefest) ?c. zc.
Sie glaubten an einen Allvater der ganzen Welt, unsichtbar, ewig, allweise,
allwaltend und unermeßlich, daher nicht in Tempeln, sondern in Hainen anzubeten;
wußten vou Himmel und Hölle u. s. f., selbst von einem letzten Weltbrand, nach
welchem Allvater einen neuen Himmel und eine bessere Welt erschaffen werde.