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1. Bilder aus dem Deutschen Reiche - S. 18

1890 - Gotha : Behrend
18 Bilder aus dem Deutschen Reiche. gutes Teil Fremdsucht hervor, die mit anderen Volksweisen eine Art Götzendienst treibt, ein widerliches Nachaffen des fremden, plump auf- gefaßten Elements, und ebenso der Wandersinn, der den Deutschen in die weite Welt hinausführt und leicht zur Weltläuferei wird. Sodann hängt mit diesem Bestreben, die ganze Welt zu verstehen, besonders aber mit seiner Richtung nach der Tiefe, nach dem Innersten der Dinge, seine Vorliebe für alles Studieren, besonders aber sür die Philosophie zusammen, sowie mit der letzteren seine Neiguug zur Träumerei und Schwärmerei. Und ebenso seine oft übertriebene Gründlichkeit, sowie sein Aberglaube an die Macht des beschriebenen Papiers und sein naives Zntranen, als habe jedermann die gleiche Rechtsachtung. — Die Deutschen sind dadurch anderen, praktischeren Nationen, den Engländern, Franzosen, Holländern, Italienern n. s. w., nicht allein das Ziel ihres Spottes geworden, weil sie z. B. für alle Welt ein Interesse haben können, das sie ganz hinnimmt, während sie für ihre eigene Heimat wie blind sind; oft haben sie auch durch das thatenlose Zuwarten, das grundlose Wünschen und Hoffen, das unent- schlossene Hin- und Herdenken und Reden, sowie durch das unmännliche Sich-Schmiegen die wichtigsten Wendepunkte und Entscheidungszeiten verloren gehen lassen, und ein großer Teil ihrer Unmacht hatte ihren Grund darin, daß sie über dem Denken und Schreiben das Handeln vergaßen. Ein anderes altes Laster ist die Trnnkliebe, der deutsche Sauf- teufel, wie es Luther nennt. Überhaupt läßt sich der Deutsche im Ge- nnsse gerne gehen; und wenn er einmal gesunken ist, schämt er sich auch der Gemeinheit weniger als andere Völker, er kann dann mit ihr groß- thun. Am leichtesten begegnet ihm das fern von der Heimat, daher der Vorwurf deutscher Charakterlosigkeit, den uns die Nachbarn machen, seinen guten Grund hat. Ein Franzose oder Engländer mag so schlecht sein als ein Deutscher; er hütet sich doch, den Namen seiner Nation zu beschimpfen, auch wenn ihm fchon die Selbstachtung verschwunden ist. Davon hält den liederlichen Deutschen keine Rücksicht ab; hat er das Vaterhaus und seinen Gott vergessen, sv läßt ihn sein Mangel an Ge- meingefühl schnell aufs tiefste sinken. Daher wissen schon alte Sprich- Wörter den verwälschten Deutschen nicht schwarz genug zu schildern (Tedesco Italianato diavolo incarnato). Dagegen wurde der deutschen Nation durch ihre glückliche Begabung auch der Beruf, vielen Völkern das Christentum zu bringen, sowohl in der Form des Romanismus als in der geläuterten Gestalt der Re- formation. Strebt sie auch in jetziger Zeit mehr einem Ideal von allgemeiner Bildung (Humanität) als dem Glauben nach, so wollen doch Kenner bemerkt haben, daß man dem Deutschen nicht mit Atheismus kommen dürfe; ein tiefes Gefühl sagt ihm, daß er einen Gott brauche. Der allein hat auch dem deutscheu Volke zur Erreichung vou so viel Einheit und Freiheit geholfen, als ihm gut und nötig ist; seine Ge- lehrten und Künstler vermochten es nicht.
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