1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Bilder vom deutschen Rhein,
in das Bettelsäcklein Brot und Pfennige aus den Fenstern entgegen-
nehmen.
„Lichtmeß. Spinnen vergeß'" heißt es bald; aber noch wird fleißig
gesponnen, und nur die „Kunkelstuben" werden weniger häufig.
Fastnacht briugt auf dem Lande für jedes Haus die den Kindern so
angenehmen „Fastnachtskücheln" in großer Menge, und wer andern
Tags auf Aschermittwoch am frühesten die Schulstube betritt, ist der
„Frühspitz", wer am spätesten kommt, die „alt Fastnacht". Der erste
Sonntag im März ist in der Pfalz der „Sommertag''. Sonst wurde
er in vielen Dörfern festlich begangen, indem die Jugend den Wett-
kämpf des Sommers mit dem Winter ausführte. Seit Jahren ist
dieser uralte germanische Brauch aus Gott weiß welchen Gründen
verboten. Nun kommt es noch vor, daß die Eltern am Sommertag
ihre Kiuder zum erstenmal mit nach Landau nehmen. Da, heißt es,
müffen die Kleinen die großen Ketten am Thor durchbeißen — aber
ein Biß in ein Milchbrötchen in der Stadt thnt es auch.
Der Sommertag sieht die ersten Lebenszeichen der erwachenden
Natur. Schon blühen herrlich rot und weiß die Mandelbäume in den
Weinbergen, oft fchou Ende Februar, wenn die Schneeflocken noch aus
die lieblichen Blüten sinken. Dies lockt den Winzer heraus, um die
Reben zu schneiden; ein heiteres Leben erwacht bei den sonnigen Tagen
des Vorfrühlings in den Weinbergen. Die Feldarbeit für die Mägde
beginnt mit dem Rebenlesen; die abgeschnittenen Schößlinge werden als
„Rebenhäsel" heimgebracht und als Anzündholz benutzt. Ein solches
gestohlenes „Rebenhäsel" trägt der „Mann im Mond". Nun werden
die Reben mit Weiden gebunden und die „Wingerts gekümmert".*)
Die Osterzeit ist so herangekommen. Vom Gründonnerstag an
schweigen die Glocken der katholischen Kirche; die Buben ziehen mit
hölzernen „Klappern" und „Ratschen" im Dorf herum und rufen in
die Kirche. Dann „kommen die Glocken wieder von Rom". Schon
acht Tage vorher ließen am Palmsonntag die katholischen Kinder in
der Kirche ihre „Palmwische"**) weihen; nun träumen alle Kinder,
wie sie dem „Osterhas" mit Blumen das schönste Nest bereiten. Ältere
Buben, die Hang zum Geheimnisvollen haben, gehen in aller Frühe
hinaus aus irgend eine Anhöhe, um die Soune aufgehen zu fehen;
denn in der Sonne sieht man am Ostermorgen das „Osterlämmlein"
tanzen. Die mürben Kuchen, welche auf Ostern gebacken werden, heißen
„Ostermatzen". — Herrlich blüht bald das Land; das Dorf ruht in
einem weißen Blntensee. Die Mägde gehen in die Flur „Klee holen";
sie binden große, schwere „Locken" zusammen, wie man die Futterlasten
heißt, lassen sie sich auf den Kopf stellen und tragen sie so heim, wie
sie auch die vollen Wasserkübel, die Körbe voll Obst oder zerbrechlichen
Waren tragen. Sie haben eine solche Übung darin, daß sie, ohne die
Körbe mit den Händen zu halten, schnell und frei dahinlanfen.
*) die Weingärten umgegraben.
**) Salweiden mit Blütenkätzchen.