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1. Bilder aus dem Deutschen Reiche - S. 93

1890 - Gotha : Behrend
Der Odenwald. 93 hott er nor gfrogt vun haus zu haus: „hängt nergens dann e stern heraus?" Er is e tapprer ritter gewest; in norde, süde, ost un west hott er gefrogt in anem fort: „is nett e bär odr e löwe dort?" Er is e seltsamer krist gewest; in norde, süde, ost un west hott er bei tag, hott er bei nacht zum kreiz sein stille gang gemacht. Sei name is in stadt un land bei grosse herrn gar gut bekannt: ze finne is er immer gewest in de drei könig am allerbest; jez is er tot un schämt sich wohl, so gehts seine brüder allemohl. Einen eigenen und nicht immer günstigen Einfluß üben die Kirch- spielsverhältnisse auf die Odenwälder aus. Der von der Mutterkirche oft weit entfernt wohnende Teil der Bevölkerung findet seine häufig einzige Unterhaltung in dem sogenannten Kirchgange; neben der Kirche befindet sich aber meist das Wirtshaus, und oft wird in diesem ver- dorben, was in jener Gutes bewirkt werden sollte. Der Odenwälder liebt vor allem Wald und Feld; seine Wohnung ist darum nicht immer gerade bequem gebaut. Seine Stube ist niedrig, nicht gerade hell, von den Leuchtspäueu, die vielfach noch statt des Lichtes gebraucht werden, schwarz geräuchert, im Winter stark geheizt und wird selten gelüftet. Der nächste Platz am Ofen gebührt dem Großvater oder der Großmutter, der zweite auf der Ofenbank dem Vater, welcher seine Frau gegen Bekannte nur beim Vornamen nennt; gegen Fremde gebraucht die Frau das Wort „Er", um ihren Mann zu bezeichnen, und dieser hat für seine Frau gegen Fremde die Bezeichnung „Mein". Der Charakter des Landvolks ist ein seltsames Gemisch aus Treuherzigkeit und Pfiffigkeit, gesunder Natur und Grobheit, ehrlicher Einfalt und zurückhaltendem Wesen; fast in jedem Dorf herrscht eins oder das andere dieser Elemente vor. Ungeachtet ihrer Armut haben die Odenwälder indes ein zufriedenes Gemüt, bei aller Arbeit eine lebhafte Phantasie, wie die vielen in ihrem Munde lebenden Sagen bezeugen. Da sie in ihren Bergen nur wenig mit der übrigen Welt in Berührung kommen, so hat die Verfeinerung unserer Zeit verhältnismäßig noch wenig über ihre altdeutschen Sitten vermocht. Fast überall kommt man dem Fremden mit traulicher Gastfreundschaft entgegen. In ihren Gebirgen konnten sich auch die altdeutschen unteilbaren Hubengüter noch lange erhalten. Erst durch Einwanderung von außen her erschienen nach und nach mehr Beisassen, die seither nur auf dem Grundeigentum eines Hübeners und meist in einer demselben gehörigen Behausung wohnten; die wenigen Beisassen, die etwa vorher in den Ortschaften mit einem eigentümlichen kleinen Besitze erschienen, hatten Teile am Gemeingute inne, und hierzu
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