1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Frankfurt am Main.
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Bahnen geben auch schon durch ihre Namen ihre geographische Richtung
und Bedeutung zu erkennen, so die Taunus-Bahn, die Main-Neckar-
Bahn, die Main-Weser-Bahn.
Während alle diese künstlichen Verkehrsanstalten, die nur den An-
deutungen der Natur folgen, die kommerzielle Bedeutung der Stadt
befestigt haben, ist ihr eine infolge ihrer neutralen Lage verloren gegangen,
nämlich die Aufgabe, auch ein politisches Herz Deutschlands zu sein. Seit
der goldenen Bulle Kaiser Karls Iv. war sie der Wahlort und später
der Krönungsort des deutschen Reichsoberhaupts. Und als das deutsche
Reich aufgelöst und in einen Staatenbund umgewandelt war, erhielt
Frankfurt als Sitz des Bundestages wiederum die Rolle eines politischen
Centralpunktes. Ebenso ward es nach der schnell vorübergehenden Auf-
lösung des Bundestages (1848) der Sitz des deutschen Reichsparlaments
(1848—1849) und des deutschen Reichsverwesers. Und noch das Jahr
1863 sah die Mehrzahl der Fürsten Deutschlands hier vereinigt, um eine
neue Bundesverfassung zu vereinbaren. Zwar hat ihm dann der Krieg
von 1866 seine Selbständigkeit (als Freistaat) geraubt, geblieben ist ihm
aber seine treffliche Lage für Handel und Verkehr, die in Zukunft viel-
leicht noch mit größerem Erfolge verwerthet werden kann, als bisher.
Denn durch die Rückerwerbung der deutschen Reichsländer Elsaß und
Lothringen ist deren Handel durch viele, in der französischen Zeit
unterbundene Fäden auch mit dem Mainmündungslande wieder verknüpft.
Das gesamte deutsche Rheinland ist wieder, wie ein politisches und
nationales, so auch ein kommerzielles Ganze. Dadurch hat sich auch
Frankfurts Handels- und Verkehrsgebiet im Westen von neuem er-
weitert und ergänzt. Und so ist denn die Stadt wieder, als Vermittlerin
des Verkehrs zwischen Norden und Süden, wie zwischen Osten und
Westen des befreiten und geeinigten Deutschlands inirischem Ansschwunge
und Fortschritte begriffen.
Wenn wir von dem Mühlberg im Süden Frankfurts aus einen
Blick auf diese Stadt und ihre Umgebung werfen, wird uns das har-
monische liebliche Bild fesseln, zu dem sich Fluß und Stadt, Feld und
Gebirge zusammenfügen. Anmutig lagert sich der Taunus im Hinter-
gründe der Landschaft, und von dem tiefen Blau, in das sich seine
Höhen kleiden, hebt sich gar vorteilhaft die alte „Wahl- und Krönnngs-
stadt des deutschen Reiches" ab. Die Häuser dicht vor uns zwischen den
gesegnetsten Gemüse-, Obst- und Weingärten bilden den Vorort Sachsen-
hausen; die Häusermassen jenseits, nördlich vom Main, bilden das
eigentliche Frankfurt. Stattliche Kirchen überragen das Meer von
Dächern. Wir erkennen unter anderen den Krönnngsdom mit seinem
Pfarrturm, die Katharinen- und die Paulskirche, und dort zur Rechten
erinnert uns der altertümliche Bau des Eschenheimer Turmes an das
Frankfurts früherer Zeit. Denn in frühe Zeit fällt der Ursprung der
Stadt. Schon vor Karl dem Großen, seit dessen Regierungszeit der-
selben öfter gedacht wird, mag hier eine Niederlassung bestanden haben.
Der Name zeigt, daß sich hier eine Furt, d. h. eine Stelle im Fluß
vorfand, die den Übergang leicht ermöglichte. Nach den Franken, in
Meyer, Lesebuch der Erdkunde Iii. 7