1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
120 Bilder vom deutschen Rhein.
Wie herrlich prangt im Sonnenstrahle
Das Thal der Lahn im Abenduft!
Uns reicht aus grüner Blätterschale
Der Wald die frische Lebensluft. —
Nun schütt'le schnell von deinen Schwingen,
O Herz, des Trübsinns letzten Rest!
Die blauen Glockenblumen klingen,
Der Finke lockt, die Amseln singen:
Vergiß, was dich gequält, gepreßt,
Und fei're froh ein Sommerfest!
I. W. O. Richter und Kippenberg.
18. Der Westerwald.
Der hohe Westerwald ist ein ins Rheinfranken- und Hessenland
vorgeschobenes Stück Westfalens- er bildet den vordersten Wall des
westlichen Norddeutschlands, ja er zeigt in Nolksart und Sitte bereits
Züge norddeutschen Charakters, wie sie viel weiter nördlich im Rhein-
thale noch nicht hervortreten. Fränkische und sächsische, oberdeutsche und
mitteldeutsche Natur stößt hier auf einander, vermittelt und verbindet
sich. Diese kahle, arme, fast nur mit dem grünen Sammet der Heide-
Vegetation geschmückte Hochfläche, auf welcher zahllose Basaltblöcke zer-
streut liegen, als habe der Himmel in seinem Zorn Felsen gehagelt,
bildet darum schon in rein ethnographischem Betracht eine der merk-
würdigsten Übergangslinien Deutschlands.
Nicht am Main, nicht am Taunus, nicht an der Lahn, sondern
erst auf den südlichen Höhevorsprüngen des Westerwaldes beginnt die
oberdeutsche Mundartsich von der niederdeutschen zu scheiden; hier aber
auch so schroff und plötzlich, daß man die Grenzlinie oft bis auf eine
Stunde Wegs ausrechnen kann. Der westfälische und köluische Dialekt
des Westerwälders schließt sich äußerst spröde ab, wie alles auf diesem
Gebirgszug in Eigenheit und Eigensinn sich abschließt; er hat den süd-
lichen Grenznachbarn erstaunlich wenig Einfluß vergönnt.
Die südlichen Vorberge des Rothaargebirges, wo Ruhr und Lippe
entspringen, stoßen von Norden her in einem stumpfen Winkel auf die
Nordostspitze des Westerwaldes. Sie verknüpfen sich so eng mit dem-
selben, daß man sie auch als dessen nordöstliche Vorkuppen ansehen kann.
An dem Ederkops, um dessen Besitz sich Rothaargebirge und Westerwald
streiten können, quillt gegen Westen die Sieg, gen Norden die Eder, gen
Osten die Lahu, gen Süden die Düll. Mittelrheinisches, niederrheinisches
und Wesergebiet sind in dieser Waldwildnis mit ihren Wurzeln förmlich
in einander verflochten: die Marklinie West- und Mitteldeutschlands
stößt mit der Marklinie Süd- und Norddeutschlands in dieser öden Ecke
zusammen.
Ganz ähnlich wie hier an der westlichen Pforte Mitteldeutschlands
ist es auch an der östlichen, beim Fichtelgebirge, dessen sociale Zustände
sich vielfach mit denen unserer Basaltgebirgsgruppe in Parallele setzen
ließen. Am Fichtelgebirge stoßen Böhmen, Sachsen, Thüringen und
Franken zusammen, und von seinem Hauptstock fließen Saale, Eger,