1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Bilder vom deutschen Rhein.
Belgien gehörte, belebt hat, geht aus folgender «schildernng desselben
Gedichtes von Ausonins hervor:
„Diese nun, oder doch ähnliche wohl (wert ist es zu glauben)
Haben im belgischen Land die Pracht der Paläste geschaffen
Und erhabene Villen, die Zier des Stromes, erbauet:
Die hier thronet erhöht auf dem Wall natürlicher Felsen,
Jene gegründet am Rand des weit vorragenden Users;
Dort steht eine zurück und fängt im Schöße den Arm auf;
Jene, beherrschend den Hügel, der dicht am Fluß sich erhebet,
Maßt sich freieren Blick in das Fruchtland an und die Wildnis.
Und wie an eigener Flur ergötzt sich die reiche Beschallung/'
Durch das mäandrische Hin- und Herirren des hiermit gleichsam
mutwillig spielenden Flusses wird nicht blos der landschaftliche Schmuck
des Moselthals erhöht und vermannigfaltigt; es äußert sich dadurch
auch ein unverkennbarer und fast unzerstörbarer Einfluß auf alle seine
wirtschaftlichen und Rechts- Verhältnisse. Indem nämlich fast mit jedem
Schrittte das Verhältnis zu den verschiedenen Weltgegenden sich ändert,
indem bald die rechte, bald die linke Seite des Flusses dem Norden
oder Süden zugekehrt und somit den Sonnenstrahlen der Zutritt ver-
schlössen oder geöffnet, dadurch aber der klimatische Unterschied zwischen
linkem und rechtem Ufer fo gut wie aufgehoben ist: so wird auf bei-
den Seiten immer stellenweise die Kultur in gleicher Art bedingt,
nämlich bald Wein- und Gartenbau, bald wieder Wiesenwachs und Busch-
werk. Dadurch aber ist für eiunnddieselben Wirtschaften zugleich auf
beiden Seiten, auf dem rechten und auf dem linken Ufer Besitz wün-
schenswert, ja zu auskömmlicher Haushaltung oft unentbehrlich. Daher
die Besitzungen der Bewohner gewöhnlich auf beiden Seiten des Flusses,
der infolge seiner Krümmungen und der daraus hervorgehenden
klimatischen Eigentümlichkeiten der beiden Ufer wechselseitig zwischen
letzteren die wirtschaftlichen Verhältnisse und Interessen des einzelnen
Besitzers in innige Verflechtung gebracht hat. Eine auf jeder Mosel-
reise leicht zu machende Erfahrung bestätigt die Bemerkung, daß
die Mosel fast überall nicht nur die Dorfgemarkuugen und die ehe-
mals hier vorhandenen größeren Grundherrschaften, sondern auch die
geringere Habe des kleinen Eigentümers durchschneidet, indem dessen
Weinberg oder Ackerfeld diesseits, sein Stückchen Wiese oder Gehölz
jenseits liegt.
Ebenso leuchtet uus infolge der besagten Eigentümlichkeit des
Mosellaufes ein, daß der Fluß eine lebhafte Schiffahrt im großen nnmög-
lich begünstigen kann, wogegen die Boot- und Nachenfahrt von Abschnitt
zu Abschnitt, besonders zwischen den beiden Ufern nirgends lebendiger
und geschäftiger ist, als hier an der Mosel; denn fast alle Tage wieder-
holt sich mehr als einmal dem Anwohner für die durch feine Wirt-
schaft bedingten Transporte die Nötigung, den Nachen in Bewegung
zu fetzen; dieser vertritt hier fast die Stelle des Saumtiers und
des Wagens. Bald sieht man Vieh, Heu oder Hausgerät und Markt-
waren überfahren, bald Knechte und Mägde mit Sensen und anderen