1890 -
Gotha
: Behrend
- Autor: Meyer, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
142 Bilder vom deutschen Rhein.
lich erstarren ließ. Bis zum Gewölbe ragten sie empor, trugen aber
nichts als den Notbehelf des bretternen Verschlusses.
So blieb der Dom unvollendet und mußte, oou innen und außen
geplündert, zur Franzosenzeit sogar als Heumagazin dienen.
Mit dem Aufschwung des nationalen Lebens nach den Freiheits-
kriegen fällt auch das Wiedererwachen der Liebe für die Schöpfuugeu
der Vorzeit zusammen. Patriotische und kunstsinnige Männer wiesen
auf die Schönheit des Domes hin, und König Friedrich Wilhelm Iv.,
knnstiebend und hochbegeistert für das nationale Werk, stellte sich an
die Spitze des Zentral-Dombauvereins, in welchem sich alle Stämme
Deutschlands, Katholiken wie Protestanten, zu reichen Gaben für die
Fortsetzung des Baues vereinigten.
Am 4. September 1842 wnrde das neuhergestellte Chor festlich
eingeweiht; begeistert von der Herrlichkeit desselben nahm König Friedrich
Wilhelm damals bei der Gruudsteiuleguug der westlichen Teile den
Hammer der Steinmetzeuzuust zur Hand und rief: „Belebe dich, Ruine,
werde fertig, Haus Gottes!"
Es ist fertig geworden! Im Frühjahr 1880 standen die Kreuz-
blumen vollendet, wahre Meisterstücke der Steinmetzzunft, jede ca. 1000
Zentner schwer, am Fuße der Türme und harrten ihrer Bestimmung.
Im Lause der Monate Juli und August wurden die einzelnen Steine
der Wunderblumen mit einem Bandseil aus Eisendraht aufgezogen, das
letzte Stück am 14. August. Gegen 10 Uhr morgens verküudeten die
Turmfahnen der Stadt und der Welt die Vollendung des Domes,
nachdem 632 Jahre seit der Grundsteinlegung verflossen waren. Am
15. Oktober 1880 sand dann in Gegenwart des Kaisers Wilhelm, der
Kaiserin Angusta, der Mitglieder des kaiserlichen Hauses und vieler
Großen und Würdenträger des Reiches die Einweihungsfeier statt.
Der Kölner Tom stellt sich als das räumlich Größte dar, was die
germanische Architektur geschaffen. Der Dom zu Speier mißt 4470 qm,
das Straßburger Münster 4087 qm, der Kölner Dom 6166 qm; die
Höhe seiner Türme (156 in) erreicht kein Bauwerk der Erde; er über-
ragt die Nikolaikirche zu Hamburg um 12 in, das Münster in Straß-
bürg um 14 in, die Peterskirche in Rom um 18 in und die Pyramide
des Cheops in Gizeh um 19 in. Der ganze Bau bis zu deu Kreuz-
blumen der Türme besteht aus Sandstein.
Das Äußere des Doms beginnen wir füglich da zu betrachten,
wo es am vollendetsten erscheint, nämlich an der Westfaeade, wo sich
die beiden Turmriesen in wunderbarer Harmonie ihrer einzelnen Teile
erheben. Die treibende Kraft ihrer Entwickelung sehen wir unten
noch verschlossen in einzelnen mächtigen Bildungen, in den Strebe-
Pfeilern, in deuh mit Reliefs überreich geschmückten Portalen, die, von
jenen beengt, in die hohen Spitzgiebel gleichsam ungeduldig empor-
schießen. Im zweiten Stockwerk entfaltet sie sich zwischen den hohen
und schlanken Fenstern üppig in unzähligen Stäben und Nischen,
Spitzgiebeln und Fialen und blüht dann, wo der Giebel das Mittel-